Sieger der Herzen bei knapper Niederlage gegen Tabellenführer Essen

Es ist der letzte Heimkampf der Saison. Gegen Essen: unseren Angstgegner. Tabellenerster, beim Hinkampf sind wir noch total unter die Räder gekommen. Nach dem Debakel von letzter Woche in Neuss ist unser Selbstbewusstsein sowieso ziemlich dahin.
Aber dann die große Überraschung, Alexander Wagner ist wieder da! Es hieß ja, der springt diese Saison nicht mehr ein. Und nun ist er da, leibhaftig steht er vor mir, ja kann jetzt noch was passieren, haben wir da nicht schon so gut wie gewonnen? Zumindest einen tollen Kampf mehr werden wir sehen, das ist gewiss.
Alexander Wagner steht im Schwergewichtskampf dem zehn Kilo schwereren Christian Jäger gegenüber. Ich erwische Christian vorher auf dem Flur, wie er nervös an seinen Fingernägel knabbert. Damit hatte er nicht gerechnet, dass er in Krefeld gegen Alex Wagner kämpfen muss. So hatte er sich das wahrscheinlich nicht gedacht. Er hatte sich vermutlich eine gemütliche kampflose Begegnung wie bei dem Hinkampf vorgestellt.
Christian kenne ich noch aus meiner aktiven Zeit in Neuss. Ein hochbegabter Ringer, der mit Neuss den Aufstieg in die erste Bundesliga geschafft hatte. Doch der Zahn der Zeit hat ein wenig an diesem einst so tadellosen Adoniskörper genagt. Jäger ist mit knapp unter 40 schon leicht in die Jahre gekommen.
Im Kampf belauern sich die beiden. Es sieht nicht passiv aus was die beiden hier machen, aber man merkt, beide ringen sehr vorsichtig, tun sich nicht weh. Dann greift Jäger die Beine von Alexander an. Es sieht schon so aus, als müsste er den Punkt abgeben. Doch wer Alexander kennt der weiß, dass hier noch lange nicht das letzte Wörtchen gesprochen wurde. Denn Wagner greift in Jägers Armbeuge und hakt gleichzeitig sein Bein ein. Es folgt eine Konterschleuder, bei der Jäger in die gefährliche Lage katapultiert wird! Brausender Applaus, so kennen wir Alex.
Weiter geht es eher gemütlich, Wagner kann noch zwei Punkte mit einem Beinangriff erkämpfen. In der letzten Minute kann Jäger Wagner noch einen Punkt abringen: Der Kampf endet 5:1.

Bei dem 96 Kilo Kampf steht Sergey Blumenstein einen schon optisch überlegenen Björn Holk gegenüber. Holk wiegt volle 96 Kilogramm, Sergey ist über 10 Kilogramm leichter. Björn Holk ist erfolgreichster Ringer dieser Oberligasaison, er hat bisher alle Kämpfe gewonnen, die meisten auf Schulter oder technisch überlegen. Kein Wunder, hat er über Jahre in der ersten Liga gerungen. Er wird sogar bei Wikipedia beschrieben: „Björn Holk wurde unter anderem drei mal Deutscher Meister im Mittelgewicht und startete bei Welt- und Europameisterschaften“ steht hier unter anderem.
Wenn Holk mit dem Rücken zu uns steht kann man von Sergey gar nichts mehr sehen. So breit ist er, dass er ihn vollkommen verdeckt. Aber Sergey kann sich erst noch ganz gut verkaufen. Als er dann in die Unterlage gerät kann er den Durchdreher und Überstürzer nicht verhindern. Auch aus dem Stand kann Holk für diese Gewichtsklasse eher untypische elegante Überstürzer werfen. Es kommt wie es kommen muss: Technische Überlegenheit für Holk.

Der spannendste Kampf des Abends dann Vitali Jeschke gegen Schamil Kasumov. Vitali wurde in die höhere 84 Kilo Klasse gesetzt. Man sieht den Gewichtsunterschied den Kämpfern deutlich an. Von Anfang an geht es zwischen den beiden beinhart zu. Die beiden greifen ständig die Beine an, man sieht die beiden unermüdlich auf-und abtauchen. Es fallen aber keine Punkte, so gleichwertig sind die beiden. Unverständlicherweise erteilt die Kampfrichterin Vitali eine Verwarnung mit 30-Sekunden-Countdown. Das heißt, wenn kein Ringer in den 30 Sekunden eine Wertung erzielt, erhält Vitali eine Verwarnung und der Gegner erhält einen Punkt. Von da an gibt Vitali noch mehr Gas und greift an wo es nur geht. Und er kommt durch mit einem Beinangriff, er muss nur noch den Hintermannpunkt erzielen. Leider ist das bei diesem stabilen Gegner leichter gesagt als getan. Dummerweise gerät Jeschke bei diesem auskämpfen als erster in die blaue Zone: 0:1 für den Essener Kämpfer.
In der zweiten Runde geht es noch wilder zu. Vitali setzt seinem Gegner hartnäckig zu. Er kann das Bein seines Gegners erwischen. Den Punkt hat er aber lange noch nicht, der Gegner ist zäh wie Leder. Jeschke aber auch, und Schlussendlich kommt es dann doch zu einem hochverdienten knappen 2:1 Sieg für Jeschke.
Dann im 66 Kilo Freistilkampf die Paarung Dieter Tschierschke gegen Dietrich Salamatin. Hier sieht überraschenderweise der Essener Kämpfer erstmal überlegen aus. Mehrfach erwischt er das Bein von Tschierschke, der aber schlimmeres mit geschickter Abwehr verhindern kann. Dennoch arbeitet sich der Essener Punkt für Punkt an seinen Sieg heran, es steht schon 5:0 für Dietrich.
Gegen Ende der zweiten Halbzeit wirkt der Essener schwächer und Dieter wittert seine Chance. Jetzt dreht er auf, um seinen Gegner zu zermürben. Und diese Rechnung geht auf, er erwischt Salamatin am Bein, kann Hintermann werden. Nun steht es 5:5. Aber nicht genug damit setzt Tschierschke einen Nackenhebel an. Und dann passiert das, womit hier keiner gerechnet hat: Der Essener kippt in die gefährliche Lage. Und wie in einem kitschigen Liebesfilm kommt es zum dramatischen Happy End für Krefeld: Der erfahrene 35 jährige Kämpfer aus Essen geht in die Knie, das heißt, genau gesagt, er geht auf die Schulter. Tosender Applaus bei den Krefelder Fans, ich tanze mit meiner linken Nachbarin, die ich gar nicht kenne, einen Freudentanz. Rechts wird nicht getanzt. Hier sitzen die Essener. Mit runtergeklappten Kinnladen.
In 74 Kilo Griechisch Römisch stehen sich Sohayb Musa Eduard Klipel gegenüber. Wir sehen einen nicht so ansehnlichen Kampf, der Essener kämpft zu passiv, lässt kaum Griffe zu. Erst bei einem hektischen Gerangel am Mattenrand zeigt Sohayb blitzschnelle Reflexe und zieht eine Schleuder. Die Aktion wird mit drei Punkten belohnt.

Der Mannschaftskampf endet 14 zu 23. Auf dem Papier haben wir verloren, im Herzen haben wir diesen Kampftag gewonnen. Mit so einem „knappen“ Ergebnis haben wir gegen die bisher so überlegene Essener Mannschaft nicht gerechnet. 5 Kämpfe haben wir gewonnen, 5 Kämpfe die Essener.
In dieser Aufstellung werden die Essener am letzten Kampftag in Neuss wohl nicht gewinnen können. Dort wird es noch sehr spannend werden, zumal es für die Essener um den Aufstieg geht.

Bericht von Alex Jodas, 14.12.3013