Krefeld schlägt Herdecke deutlich 11:31
Klare Sache in der Ruhrgebietsstadt
Es ist brütend heiß an diesem Samstag im September. Ein Hitzerekord folgt dem nächsten.
Derjenige, der es kann und der halbwegs bei Verstand ist, macht heute nichts. Oder besser noch, er verweilt am einem Pool. Bei einem kühlen Drink. Und rettet sich von einem Schattenplatz zum nächsten. Anders ist es heute nicht zu ertragen.
Schlapp hechelt der Hund in seinem Körbchen, er will heute gar nicht Gassi gehen.
Die Katze lässt das jagen sein und verkriecht sich in ihren dunklen Bau. Die Maus krabbelt in ihr Loch, obwohl sie heute Ruhe vor der Katze hätte.
Nur die Ringer, die können es nicht lassen. In der Sauna, pardon, in ihrer Halle plagen sie sich noch gegenseitig. Indem sie miteinander kämpfen. Ja, geht es noch? Ja, es geht. Und wie.
Ich sitze dabei und kann den Kämpfern bei einem frischen Bier beim schwitzen zusehen.
Die Hitze scheint heute den Gastgebern mehr zuzusetzen als den Krefeldern. Denn bei allen Kämpfen, die auf der Kippe stehen, gehen zugunsten der Krefelder auf. Es scheint fast so, als ob sich die Herdecker ihrem Schicksal ergeben und den Krefeldern freiwillig den Vortritt lassen.
Die ersten drei Kämpfe stehen noch die Gäste vorne. Die 57 Kilo mit Leyan Colac und das Schwergewicht mit Adam Bachor gehen technisch Unterlegen und nach Punkten verloren. Das sieht erst mal nicht gut aus für Krefeld, wenn das so weitergeht geht gewinnen wir den Mannschaftskampf heute wieder nicht, so wie in der Vorwoche schon, denke ich mir.
Als nächstes sehen wir für Krefeld Abdul-Malik Magomadov in der 61 Kilo Klasse. Der Mann ist ein Phänomen. Langsam schlurft er auf die Matte, groß und schlaksig, krumm wie ein Fragezeichen. Er scheint sich unwohl zu fühlen im Rampenlicht. Als ob man ihn gegen seinen Willen auf die Matte geschoben hätte. Mit Blick nach unten, als wüsste er nicht, was er hier zu suchen hätte. Er schaut Löcher in den Boden. Was gibt es dort nur interessantes zu entdecken, liegt da Dreck auf der Matte, sind seine Schuhe nicht in Ordnung? Er macht sich klein, als würde er sich seiner Größe schämen.
So ist Malik nun mal. Er ist keine Diva und auch keine Rampensau. Er ist mehr der Freund der leisen Töne. Er ist eher schüchtern und zudem introvertiert.
Wie ein Sport – Nert sieht er aus. Ein anti Bewegungstalent, den die Krefelder in Ermangelung eines besseren Mannes opfern. Könnte man zumindest meinen. Auf den ersten Blick
Als wolle er diesen Eindruck auch noch bestätigen, beginnt er langsam und träge wie ein Dieselmotor gegen einen starken Abdul Raise von Herdecke. So tuckert Malik gemächlich vor sich hin. Er fällt auf einen Armdrehgriff herein. Der Gegner denk sich nun, aha, der Mann ist harmlos, mit dem kann ich es machen, das wird ein leichtes Ding, das ist eine Sache von ein paar Minuten. Auch sonst wirkt Malik unterlegen. So wird das heute nichts, denke ich mir pessimistisch. Auch wenn er das Ruder bisher häufig noch herumreißen konnte. Aber er liegt bis zur fünften Minute schon 4:1 zurück, als der Gegner wegen Passivität in die Bodenlage geschickt wird.
Jetzt endlich wird Malik wach, ihm scheint der Ernst der Lage endlich aufzugehen. Der Krefelder explodiert jetzt förmlich, als würde er seinen Turbo starten. Er hebt seinen Gegner unter enormen Widerstand aus. Und er stürzt ihn über. Der Gegner versucht das abzuwehren und fasst das Bein von Malik. Das hat der Kampfrichter aber gemerkt. Es gibt einmal vier Punkte für den Überstürzer und nochmals zwei Punkte für das greifen des Beines. Jetzt führt Malik plötzlich 4:7! Der Krefelder Block tobt vor Freude. Der Herdecker muss erneut auf den Boden, weil er das Bein gegriffen hatte. Malik hebt ihn wieder aus. Und jetzt macht es Raise wieder: Er greift erneut regelwidrig das Bein von Malik, er kann es einfach nicht lassen. Doch der Kampfrichter ist hellwach und bemerkt es auch dieses Mal. Das bedeutetet die zweite Verwarnung und Disqualifikation des Herdeckers. Wir Krefelder sind außer uns vor Freude. Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet, wir feiern unseren Mann, der es mal wieder so dramatisch gemacht hatte, lautstark in der Gästehalle.
Nach dem Sieg steht Malik kerzengerade wie ein Soldat auf der Matte und reckt seine Arme in den Himmel. Aha, siehe da, es geht auch anders. Er lässt sich vom Publikum genüsslich feiern. Ein breites Grinsen schmückt nun sein Gesicht. Zurecht, er hat es sich verdient. Und spätesten jetzt ist klar: Malik ist beileibe kein Sport Nerd. Malik ist vielmehr eine Kampfmaschine. Wie man sich doch täuschen kann.
Der 98 Kilo Freistil Kampf zwischen Mehdi Shahsavari für Herdecke und Suleiman Alikhanov ist Anfangs eine zieme zähe Angelegenheit. Der Herdecker ist ein guter Verteidiger, er lässt gegen sein fast zehn Kilo schwereren Gegner kaum etwas zu. Suleiman schafft aus dem Stand, seinen Gegner durch Beinfeger von der Matte zu wischen und Hintermann zu werden. Bis zur letzten Minute führt der Krefelder 0:5. Es ist ein komfortabler Vorsprung aber wir Krefelder hoffen auf mehr. Und in der letzten Minute zeigt uns Suleiman, was er drauf hat und dreht seinen Gegner dreimal in der Bodenlage durch zu einem 0:13 Vorsprung. Jetzt fehlen nur noch zwei Punkte zur technischen Überlegenheit. Aber der Schlusspfiff kommt dem zuvor.
Jetzt führt Krefeld zum ersten Mal an diesem Abend 5:7
Der Kampf in 66 Kilo zwischen Abdul Mateen Khaliqi für Herdecke und Dmytro Kornilov ist außerordentlich spannend, es passiert viel, die beiden Kämpfer erzielen Wertungen bei Angriffen und bei Kontern. Und alles geht so schnell, das man kaum zu folgen vermag. Am Boden kann Kornilov seinen Gegner mit einem Einsteiger in die gefährliche Lage befördern. Aber Khaliqi ist sehr beweglich und kann sich raus retten, indem er sich wieder zurück in die Bauchlage rettet. Der Krefelder versucht erneut mit dem Einsteiger seinen Gegner auf den Rücken zu wenden. Die Abwehr ist aber zu stark. Stattdessen wechselt Kornilov seine Taktik, er greift den Arm seines Gegners und rollt den Herdecker geschickt mit einem Kipper in die andere Richtung. Das wird mit zwei Punkten belohnt. Und weil es so gut funktioniert und weil er den Arm seines Gegners kontrolliert, kann er erneut kippen. Und gleich nochmal. Das sind jedes mal zwei Punkte. Bis zur technischen Überlegenheit kann der Krefelder seinen Gegner kippen. Das ist etwas gemein, zumindest für den Herdecker, aber was soll`s, für uns ist es umso schöner. Der Krefelder Block hat schon wieder Grund zu feiern!
Im Nächsten Frauenkampf 59 Kilo sehen wir für Krefeld zum ersten Mal Jasmina Liolios. Wir sehen hier im Kampf gegen Fabienne Manz eine ausgeglichene Begegnung. Zum Ende der Halbzeit wird es aber dramatisch. Bei einem Beinangriff wird Liolios abgefangen und in die gefährliche Lage befördert. Es sieht schlecht aus für die Krefelderin. Ich sehe sie schon auf der Schulter liegen. Ich wende den Kopf ab, das will ich mir nicht antun. Aber sie hat Glück. Der Pausenpfiff befreit sie aus der misslichen Lage.
Ich gebe diesen Kampf schon insgeheim für die Herdecker ab, die Krefelderin ist wegen Verletzungspech nicht gut in Form. Doch es soll ganz anders kommen. Denn Fabienne Manz kann nicht mehr antreten. Sie ist am Mattenrand fast kollabiert, sie muss von einem Ringer weggetragen werden und muss ihren Kampf aufgeben.
Nach dem Mannschaftskampf geht es ihr wieder besser. Musste sie der Hitze den Tribut zollen oder ist sie einfach nicht austrainiert?
Zur Pause steht es 5:15 für Krefeld. Da kann an diesem Abend wohl nicht mehr viel anbrennen, da können wir uns Krefelder wohl entspannen.
Nach der Pause allerdings holen die Herdecker noch mal auf. Bei der 86 Kilo Begegnung zwischen Shirkhan Guliyev für Herdecke gegen Waldemar Schäfer hat der Krefelder gegen seinen übermächtigen Gegner nicht die leiseste Chance. Vor allem am Boden rollt er ihn nach Belieben durch.
Als dann der Krefelder Pietro Sabatino gegen Yevhenii Pidlisnyi 7:1 nach Punkten verliert, kommen die Herdecker schon auf 11:15 wieder bedrohlich heran. Doch letztendlich ist es dann für die Gastgeber gewesen. Denn ab jetzt gewinnen nur noch die Krefelder.
Beeindruckend wie Ben Haeffner für Krefeld seinen Gegner Same Ullah Sidiqe in der 80 Kilo Klasse demontiert. Der Herdecker muss einen Beinangriff nach dem anderen über sich ergehen lassen, er kommt gar nicht dazu, sich zwischendurch zu sortieren. Ganz schnell rattern die Wertungen die Anzeigetafel herunter, das Kampfgericht kommt kaum mit dem zählen nach. Noch in der zweiten Minute ist es vollbracht, technische Überlegenheit!
Noch schneller macht es sein Bruder Philipp Haeffner in der 75 Kilo Klasse. Er schultert seinen Gegner Tugkagan Öztürk nach einer Minute und zwanzig Sekunden.
Eine Lehrveranstaltung im Griechisch Römisch in der 75 Kilo Klasse sehen wir vom Krefelder Amer Bolakhrif gegen David Mkrtchyan. Der Krefelder wirbelt seinen Gegner schwindelig zur technischen Überlegenheit!
Das war es an diesem Abend, eine eindrucksvolle Vorstellung geht zu Ende. Die Krefelder gewinnen verdient und sind nach dem vierten Kampftag auf dem vierten Platz der Tabelle.
Auch die zweite Mannschaft von Krefeld hat in Hückelhoven deutlich mit 16:40 gewonnen.