Germania Krefeld gegen Köln Mülheim 15:24 Gefühlter Sieg trotz klarer Niederlage

Eine deutliche Niederlage kassieren die Krefelder an diesen Abend. Doch die Krefelder Fans lassen sich den Abend nicht verderben. Sie ignorieren diese offensichtliche Tatsache. Und wie aus Trotz feiern sie ihre Mannschaft wie die Sieger.

Heute Abend ist die Halle wieder randvoll. Schließlich wird Aline Focken der rote Teppich ausgebreitet und empfangen. Die Krefelderin ist Ende September dritte bei den Weltmeisterschaften in Kasachstan geworden.

Sogar der Bürgermeister von Krefeld, Frank Meyer hat sich die Ehre gegeben. Er gibt sich sehr bürgernah und mischt sich unter die Fans. Als Aline geehrt wird, kommt auch er auf die Matte. Er hat ein Gastgeschenk mitgebracht: Er macht 2000 Euro locker für eine neue Ringermatte. Als Aline auf die Bühne kommt gibt es frenetischen Applaus. Aline ist den Tränen nahe.

Und nun zum sportlichen. Es beginnt ziemlich schlecht für Krefeld, Abdul-Malik Magomadov verliert im Leichtgewicht auf Schulter. Eine originelle Einlage bietet hier der Kampfrichter. Als sich der Mülheimer Ringer über ein Kampfrichterentscheidung beschwert, holt der Referee die Trillerpfeife aus Hosentasche und hält sie dem Kölner vors Gesicht. Der weiß gar nicht, wie ihm geschieht und was das soll. Doch die Geste ist klar: Soll er doch den Kampf doch selber pfeifen. Gute Idee vom Kampfrichter.

Im Schwergewicht hat dann Alexander Walheim mit Asghar Laghari einen Gegner, den man in der Tat einen echten Schwergewichtler nennen kann. Ein Mann wie ein Baum, Aber im Gegensatz zu anderen Schwergewichtlern hat dieser Athlet kein Gramm Fett. Riesengross ist er, Beine wie Säulen hat der Mann. Hände wie Toilettendeckel und Arme wie ein Bär. Der arme Alex, denke ich mir, das sieht ja total ungerecht aus. Als ob ein Kind gegen einen Erwachsenen kämpfen müsste. Dabei ist Alex ein großer kräftiger Mann. Aber er sieht hier plötzlich so klein und zerbrechlich aus. Denn hier stehen sich 90 Kilo 130 Kilo reiner Muskelmasse gegenüber. Woher die Mülheimer diesen Ringer ausgegraben haben ist mir ein Rätsel, den Mann hatte ich bisher bei den Kölnern noch nie gesehen.

Alex bleibt verständlicherweise nur die Defensive gegen diesen Riesen, denn Ringen kann der auch noch. Als Laghari seinen Gegner mit seinen mächtigen Pranke anreist, kracht Alex hart in die Matte. Puh, das muss weh tun. Und auch sonst hat Alex nicht den Hauch einer Chance, das kann man nicht schönreden, da ist nichts drin für unseren erfolgreichen Ringer. So passiert es wie es geschehen muss, Laghari schultert Alex in der zweiten Minute beim Stand von 0:13.

Als dann in der 61 Kiloklasse Emil Gozalov gegen den Mülheimer Khamzat Banukaev nach zwei Beinangriffen 0:4 zurückliegt sieht es rabenschwarz aus für Krefeld. Ganz leise wird es in der Halle, wir sind geschockt, soll jetzt selbst unser stärkster Mann auf der Matte unter die Räder kommen?

Emil lässt sich das aber nicht gefallen und zieht in der zweiten Minute einen Armschulterzug. Ein Griechisch Römisch Griff, in den der Freistil Spezialist Banukaev hier blindlings rein läuft. Und nun liegt der Kölner in der gefährlichen Lage. Jetzt ist schlagartig Schluss mit der Stille in der Halle, jetzt tobt der Mob, Pardon, das Publikum. Schultern, schultern, brüllen die Leute, sie wollen jetzt den Sieg, und zwar sofort. Doch Banukaev tut uns nicht den Gefallen, er kann sich raus winden.

Aber er kämpft jetzt respektvoller, diese Lektion hat gesessen.

In der zweiten Halbzeit punktet fast nur noch Emil. Und als hätte er es dramaturgisch extra so abgestimmt, in der letzten Minute setzt er dem Kampf noch das Sahnehäubchen auf: Er kann den Kopf mit den Beinen von Banukaev verschnüren. Dieses Paket wendet er jetzt wie in Zeitlupe auf den Rücken. Nun geht ein Aufschrei durch die Zuschauerreihen, denn der Kölner liegt auf dem Rücken. Das sieht gar nicht gut aus für Banukaev, da dürfte er nicht mehr rauskommen. Aber die Zeit kommt ihn entgegen, es sind nur noch 25 Sekunden bis zum Abpfiff. Schafft das Emil noch? Er schafft es, wie ein Vater sein Baby legt Gozalov seinen Gegner behutsam auf die Schultern! Und jetzt platzt es aus den Krefeldern raus, na endlich, ein Sieg und was für einer!

In 98 Kilo kommt die erwartete Niederlage von Tolga Alkan mit einer technischen Unterlegenheit. Als dann in der 66 Kiloklasse Krefeld kampflos 5 Punkte abgeben, weil kein Kämpfer gestellt wird steht es zur Halbzeit bereits 5:19 für den Kölner Verein. Das sieht gar nicht gut aus, werden wir heute Abend total unter die Räder kommen?

In der folgenden 86 Kilo Klasse steht Jure Cubelic dem Mülheimer Said Mostafa Sadri gegenüber. Unser Mann scheint hier die schlechteren Karten zu haben. Einerseits ist Jure mit seinen erst zwei Jahren Ringererfahrung noch ein Anfänger. Und zweitens ist er Griechisch Römisch Spezialist. Aber das schöne ist, das ist Jure egal. Ungeniert und technisch einwandfrei greift er die Beine seines Gegners an. Und das erstaunliche passiert: Obwohl es gar nicht sein dürfte, nur Jure kassiert hier die Punkte. Man kann es ihm bei dem Training einmal gezeigt haben, sofort kann er das im Kampf umsetzten. Sogar als Sadri Hintermann wird, lässt sich Jure nicht auf die Knie zwingen und gibt nicht die „Zwei „ ab. Wie ein Profi macht Jure das. Woher er das kann? Letzte Woche in Neuss hatten wir diese Situation, nur umgekehrt, Cubelic war Hintermann und hatte die Punkte nicht erhalten. Er hat daraus gelernt und macht es prompt selber so.

Jetzt versucht Sadri, den Krefelder durchzudrehen. Aber Jure hat enorme Kräfte. Er kann seinen Gegner abfangen. Und dann passiert das Unglaubliche: Er befördert seinen Gegner in die gefährliche Lage. Jetzt steht die Halle wieder Kopf, jetzt liegt es in Jures Hand, seinen Gegner zu schultern. Und er kennt keine Gnade, er vollstreckt wie ein Profi.

Das sind weitere fünf Punkte, Es steht jetzt „nur“noch 10:19 für Mülheim, könnte da etwa doch noch was drin sein für Krefeld?

In den Kommenden zwei Kämpfen wird es dann auch noch mal richtig spannend, Mert-Fatih Simsek Muammed in der 71 Kiloklasse und Muammed Zakir Tan in der 80 Kilo Klasse verlieren knapp nach Punkten, obwohl sie beide in Führung lagen. Schade Schade, Es steht jetzt 22:10 für Mülheim, jetzt ist der Kampf für Krefeld endgültig verloren. Aber irgendwie ist es heute den Krefeldern egal, die Stimmung ist formidabel, sie feuern weiter an, was das Zeug hält.

Auch in dem 75 Kilo Griechisch Römisch Kampf von Dieter Tschierschke gegen den Mülheimer Poyan Shahbazi. Hier sieht es für den Krefelder Anfangs noch hoffnungslos aus. Dennoch ertönen „Dieter Dieter„ Chöre aus dem Fanblock. Der Mülheimer weißt eine vorzügliche Technik auf, besonders wenn er blitzschnell abtaucht und an Tschierschke vorbei schlüpft. Auch am Boden kann er den Krefelder mehrfach durchdrehen. Es sieht sehr nach technischer Überlegenheit aus. Doch in der zweiten Halbzeit fängt sich Dieter. Jetzt punktet fast nur noch er. Die Krefelder wittern die Sensation und hoffen, das er den Kampf noch für sich entscheiden kann.

Doch es reicht leider nicht ganz, Dieter verliert 8:14 nach Punkten.

Am Ende im 75 Kilo Freistil gibt es einen ganz besonderen Leckerbissen. Denn hier kämpft nach mehrwöchiger Verletzungspause wieder der junge Ben Haeffner gegen den Mülheimer Abbas Goli Garmestani. Der Kölner Ringer ist ein ganz harter Brocken, schon seit Jahren konnte kein Krefelder Ringer gegen ihn gewinnen, in der Oberliga entscheidet er fast alle Kämpfe für sich.

Und so sieht es zu Anfang gleich auch sehr schlecht aus für Ben. Bei einem Beinangriff wird Ben in die gefährliche Lage geworfen und wird fast geschultert. Irgendwie kann er sich zum Glück noch raus retten. Was wir dann sehen, ist ein beinharter Kampf, bei dem sich beide nichts schenken. Aber auch überhaupt gar nichts. Manchmal sind die beiden bei der Abwehr von Beinangriffen dermaßen verknotet, das man gar nicht mehr erkennen kann, welche Körperteile von welchem Ringer sind. Das ist unglaublich spannend. Aber jetzt kann Ben die Oberhand gewinnen, er holt bei einem Angriff die „Zwei“. In der zweiten Halbzeit erkennt man, wie bei Garmestani langsam die Kräfte schwinden. Das kann er sich bei Ben aber gar nicht erlauben, denn der Krefelder ist ein unglaublicher Kämpfer, der es wissen will. Bei ihm muss man schon im Vollbesitz seiner Kräfte sein, denn sonst geht man unter. Und so ist es dann auch, Ben kann bei einem Beinangriff Hintermann werden. Und wie aus einem Guss greift er zur Beinschraube. Und dreht seinen Gegner durch. Und nochmal. Und nochmals. Das wird jeweils mit frenetischen Applaus honoriert. Der Kölner kann sich nur retten, indem er sich in die Passivitätszone rettet. Hier erteilt der Kampfrichter Ben vier Punkte zu wenig. Aber das ist letztendlich auch egal . Denn Garmestani nimmt jetzt eine Verletzungspause nach der anderen. Und nun wirft der Coach der Kölner das Handtuch: Garmestani muss aufgeben. Damit ist der Ringer gar nicht zufrieden, er möchte den Kampf scheinbar unbedingt noch zu Ende bringen. Sein Coach kommt ihn auf der Matte entgegen, Abbas Goli Garmestani stürmt auf ihn zu, als wolle er jetzt mit ihm kämpfen. Eine komische Situation. Die Krefelder Fans sind jetzt ein wenig gemein, sie feuern jetzt mit „Hey Hey“ Rufen an, als wenn nun ein Kampf bevorstehen würde. Dazu kommt es zu Glück nicht.

Das war`s für diesen Abend, Ben holt die höchstmögliche Punktezahl gegen diesen übermächtigen Gegner aus diesem Kampf. Mit diesem Gefühl des Sieges kann das Publikum doch noch zufrieden nach Hause gehen.