Walheim gegen Krefeld 19:20

Gewonnen! Und dennoch verloren.

Was im ersten Augenblick nach einem knappen Auswärtssieg für Krefeld aussehen mag bedeutet aber tatsächlich mit höchster Wahrscheinlichkeit eine Niederlage für die Krefelder Gäste. Denn ein Frauenkampf steht noch aus: Nina Hemmer, die Vizeweltmeisterin aus Walheim muss an diesen Abend einen Trainingslehrgang zur diesjährigen Weltmeisterschaft teilnehmen. Ihr Kampf gegen die Krefelderin Lina Sue Odendahl wird daher zu einem späteren Zeitpunkt ausgetragen.

Und hier muss man kein ausgesprochener Pessimist sein, um davon auszugehen, das die Krefelderin den knappen einen Mannschaftspunkt Vorsprung nicht halten kann. Es ist eher wahrscheinlich, das Krefeld bei dieser nachgeholten Begegnung noch mal fünf Punkte an Walheim verlieren wird.

Trotz dieser höchstwahrscheinlichen Niederlage für Krefeld war es ein äußerst spannender Kampfabend, eine Berg und Talfahrt der Emotionen mit dem glücklicheren Ende für die Gäste.

Und nun zu den Kämpfen. In der 57 Kilo Klasse präsentieren die Walheimer einen neuen Kämpfer in ihren Reihen, mit dem sie sich deutlich verstärkt haben: Amin Haji Babaie. Ein ausgewachsener, erfahrener alter Haudegen, der sichtlich für die 57 Kilo abtrainieren muss. Unserer gerade mal 15 Jähriger Leyan Colak hat hier einen unglaublich starken Gegner vor sich. Aber der Junge ist ein aufstrebendes ehrgeiziges Talent, gerade ist er in die Jugendnationalmannschaft aufgenommen worden. Und bei diesem Kampf sieht man auch warum: Er kann sich gegen diesen „Übergegner“ auf der Matte mühelos behaupten. Kurz nach der Pause dann macht Leyan es: Bei einem Doppelbeinangriff erwischt er den Walheimer kalt. Der kleine Junge kann den starken Mann bilderbuchmäßig ausheben und auf den Rücken werfen: 5 Punkte, die reichhaltig angereisten Krefelder jubeln wie aus einer Kehle.

Babaie findet keine Mittel gegen den jungen Krefelder, er kann nur punkten, indem er ihn aus der Zone drängt. Leyan rutscht auf den Knien raus, das dürfte eigentlich keine Wertung geben. Das scheint der Kampfrichter aber nicht zu wissen und verschenkt großzügig die „Einsen“.

Am Ende der Kampfzeit erteilt der Kampfrichter Leyan eine Passivitätsverwarnung und schickt ihn in den Bodenkampf. Hier kann Leyan naturgemäß der Kraft des Mannes nicht standhalten und wird durchgedreht. Jetzt liegt der Krefelder zwei Punkte zurück, das ist gemein, ihm bleiben nämlich nur noch ein Paar Sekunden.

Leyan versucht noch alles, um den Kampf zu kippen, doch es ist zu spät. Leyan verliert knapp 7:5.

Schade schade, dieses Ergebnis hat der Krefelder nicht verdient, der Sieg wurde ihm vom Kampfrichter genommen.

Aber das ist erst mal nur ein Punkt für die Aachener Mannschaft, das ist noch zu verschmerzen.

Das Schwergewicht zwischen dem Walheimer Martin Otto gegen Nigel Weber ist eine klare Sache. Hier punktet nur Otto, der Krefelder ist nicht gut in Form, kein Wunder, er kann aufgrund beruflicher Belastung nicht trainieren. In der vierten Minute ist Schluss, er verliert technisch unterlegen. Es steht 5:0 für Walheim.

In der 61 Kilo Klasse stehen sich mit Said Mehdi Asadi für Walheim und Abdul-Malik Magomadov zwei Kämpfer gegenüber, die von der Figur her so ähnlich aussehen, das sie ihr Spiegelbild sein könnten. Zum Glück kann man sie an der Farbe ihrer Trikots gut auseinanderhalten. Auch dieser Kampf wird eine klare Sache, allerdings für Krefeld. Magomadov hebt seinen Gegner mehrfach aus der Bodenlage aus und wirft ihn. Noch in der ersten Halbzeit hat Malik die technische Überlegenheit schon in der Tasche. Aber er will mehr, nach einem Hüftzug kann er seinen Gegner schultern.

Nun steht es 5:5 Unentschieden in der Mannschaftswertung.

In der 98 Kiloklasse steht für Krefeld der Neuzugang aus Meppen Mohammed Jamshidi dem Walheimer Vitali Stotskii gegenüber. Der Krefelder sollte heute eigentlich im Schwergewicht kämpfen, er musste aber in der tieferen Gewichtsklasse antreten, weil Suleiman Alikhanov heute krank ist.

Gegen Stotskii konnte bisher noch kein Krefelder gewinnen, daher rechnen wir uns bei dieser Begegnung keine großen Chancen aus. Zumal Jamshidi in Meppen keine guten Trainingsmöglichkeiten vorfindet, er hat dort keinen Trainingspartner.

Jamshidi ist Perser, im Kampf zeigt seine seine hohe iranische Ringerschule. Da Stotskii reiner griechisch Römisch Kämpfer ist, hat er gegen die vorzüglichen Beinangriffe des „Neu-Krefelders“ nichts entgegenzusetzten. Und so erreicht Jamshidi mit einem15:1 Sieg fast die technische Überlegenheit.

Eine erfreuliche Überraschung für die Niederrheiner, die jetzt zum ersten Mal mit 5:8 führen.

In der 66 Kilo Klasse können die Aachener mit Asadula Karimov einen weiteren Neuzugang in dieser Klasse stellen. Für den Krefelder Mert-Fatih Simsek eine schwere Aufgabe. Wir sehen einen unglaublich harten Kampf, bei dem auf beide Seiten Wertungen fallen.

In der Pause liegt Mert 2:6 zurück, kann er das noch aufholen fragen wir uns Fingernäbelknabbernd auf den Zuschauerrängen. Aber Mert steckt nicht auf und holt auf. In der dritten Minute passiert dann etwas verhängnisvolles für den Aachener: Mert will die Handklammer des Walheimers mit seinem Knie sprengen. Genau in diesem Augenblick springt Karimov an Merts Beine, stößt ungebremst gegen das Knie. Der Aachener ist kurzfristig ausgenockt, der Kampfrichter muss abpfeifen.

Er kommt wieder zu sich, muss aber eine Verletzungspause einlegen. Er hat einen wirren Blick, man kann ihm ansehen, das er angeschlagen ist.

Der Kampf wird fortgeführt und Mert kann sich weiter ran kämpfen. In der vierten Minute überrascht Mert seinen Gegner und die Zuschauer mit einem Kopfhüftzug. Obwohl hier Freistil gerungen wird. Aber egal, das darf man und es zeigt Wirkung. Denn der Walheimer liegt in der gefährlichen Lage: Und wird geschultert! Der Krefelder Fan Block tobt vor Freude, das hätte man nicht erwartet, das läuft ja jetzt noch ganz gut, was wollen wir mehr? Denn Krefeld führt jetzt 5:13, das sieht ja gut aus. Vor der Pause gibt es noch den Frauenkampf Jasmina Liolios gegen Levinay Colak, bei dem die Krefelderin geschultert wird. Das ist nicht schlimm, in diesem Frauenkampf bekommen beide Mannschaften eine „Zwei“, unabhängig davon, wie er endet, also steht es 7:15 für Krefeld

Nach der Pause kämpft der Krefelder Muammed Zakir Tan sehr stark gegen Marco Kreutz. Er führt schnell mit drei Punkten, man könnte meinen, es wäre eine klare Sache für den Krefelder.

Doch nach anderthalb Minuten bricht der Krefelder konditionell total ein, er kann sich kaum mehr wehren. Kreutz muss ihn nur noch raus schieben. Tan kann sich kaum mehr auf den Beinen halten, sobald er angerissen wird liegt er auf den Bauch und der Walheimer kann Hintermann werden. Wir Krefelder Fans können die Qual von Muammed Zakir Tan beim Zuschauen kaum ertragen, wir hoffen nur, das er nicht auch noch geschultert wird. In der vierten Minute ist der Spuk beendet, Mohamed wird wegen Passivität disqualifiziert.

Es steht 12:15 Für Krefeld.

Beinhart geht es zu bei dem Kampf der Krefelders Amer Bolakhrif gegen Said Azam Karimov.

Es ist ein offener Schlagabtausch, bei dem aber der Krefelder stets das letzte Wörtchen hat. Sie gehen beide in den Zwiegriff, den man bei einem Bolakhrif eher vermeiden sollte. Bolakhrif rotiert und lässt seinen Gegner fliegen. Er traut sich das, alles geht wie aus einem Guss. Der Walheimer hat keine Chance gegen Bolakhrif. Aber am Boden wird es im Getümmel gelegentlich gefährlich für Amer, denn Karimov kann den Krefelder übertragen. Er befindet sich kurzfristig in der gefährlichen Lage, uns Krefelder Fans rutscht das Herz in die Hose, das ist schon riskant, was wir zu sehen bekommen. Doch alles geht gut. Ein ganzer Fanblock von Amers Freunden ist angereist, die ordentlich Stimmung für Krefeld machen, jetzt hört es sich in der Halle an wie bei einem Krefelder Heimkampf.

Auf der Matte wird es allerdings immer härter, es werden Kopfnüsse verteilt, der Kampfrichter muss öfters unterbrechen und die Kämpfer auseinanderziehen weil es zu hitzig zugeht. Auch das Publikum ist angeheizt und trägt seinen Teil zur angespannten Atmosphäre bei.

Doch Bolakhrif ist Profi genug sich nicht zu sehr provozieren zu lassen und füttert das Publikum mit weiteren Punkten. Besonders schön ist seine Flexibilität im Zwiegiff. Man weiß bei ihm nie was kommt, mal wirft er aus dieser Position den Überstürzer, mal zieht er den Kopfhüftzug, mal eine Suplex. Und so kommt sie, unabwendbar für Karimov, da kann er sich auch noch so wehren: Die technische Überlegenheit in der fünften Minute. Jetzt sieht die Krefelder Ringer Welt wieder in Ordnung aus, Es steht 12:19 für Krefeld, Das fühlt sich komfortabel an aber wird es letztendlich reichen?

Denn in der 80 Kilo Klasse kommt unser starker Freistilkämpfer Ben Haeffner gegen Maximilian Otto unter die Räder. Er verliert technisch Unterlegen. Das schockt den Krefelder Fan Block, denn Ben ist ansonsten einer der sichersten Punktelieferanten für Krefeld.

Als dann noch der Krefelder Vitali Jeschke im 75 Kilo Freistil gegen Michael Otto 11:0 deutlich nach Punkten verliert, steht es Unentschieden 19:19.

Und es folgt nur noch der 75 Kilo Griechisch Römisch Kampf mit dem Krefelder Nikolai van Berkum. Wir wissen, das der Mannschaftskampf heute kaum mehr gewonnen werden kann, selbst wenn unser Kämpfer auf Schulter gewinnen wird, im Nachholkampf der Frauen rechnen wir, wie anfangs schon erwähnt, mit einer Schulterniederlage gegen Nina Hemmer.

Im letzten Kampf geht es wieder knüppelhart zu. Nikolai kämpft gegen den weiteren Neuzugang von Walheim Sasan Bavandpor. Wir sehen ein Kopf an Kopf rennen, bei dem die Führungen wechseln und jeder mal auf den Boden muss. Es passiert nicht viel bei diesem Kampf, aber es ist unglaublich spannend. Es ist ein Kampf voller Emotionen, bei dem die Stimmung auf beiden Seiten hochkocht. Ständig rennen Leute die Matte, andere Leute kommen dazwischen, um die aufeinander stürmenden zu trennen. Der Stadionsprecher ermahnt die streitenden, die Matte zu verlassen, er ist hörbar im Stress. Der Kampfrichter kann sich nicht durchsetzen.

Zwischenzeitlich zieht wie eine Friedenstaube eine Fledermaus seine Runden durch die Halle.Was mach die denn hier? Sie fliegt über das Geschehen, als ob sie die erhitzten Gemüter beschwichtigen wollte.

Letztendlich gewinnt Nikolai 4:5 knapp nach Punkten. Es steht also 19:20 für Krefeld, es ist also klar, das der knappe Vorsprung für den Nachholkampf nicht reichen wird. Also könnten die Wahlheimer zufrieden sein mit diesem Ergebnis. Sind sie scheinbar aber nicht, denn in der Halle gibt es Rudelbildung, es werden auf beiden Seiten Beleidigungen zugerufen, die Stimmung ist zum bersten angespannt. Ich kann vom Zuschauerrang nicht erkennen , wer mit der Provokation begonnen hat.

Dann fliegt von Walheim eine Glasflasche Richtung Krefelder Block, der Vater von Amer Bolakhrif trifft sie zum Glück nur an die Schulter. Jetzt stürmen beide Gruppen aufeinander zu, es droht sich eine Massenprügelei zu entwickeln, der Stadionsprecher schreit verzweifelt in das Mikro, das die Leute damit aufhören sollen, sonst müsse man die Polizei rufen. Der Kampfrichter verliert die Kontrolle über das Geschehen, er hätte viel früher eingreifen müssen. Ordner, die einschreiten können, sind hier nicht zu erkennen.

Wie um ihren Unmut zu bekunden zieht die Fledermaus wieder ihre Runden. Sie kann hier keine Ruhe finden. So geht das nicht weiter, das ist keine artgerechte Fledermaus-Umgebung!

Zum Glück beruhigt sich langsam die Situation, ohne das es zu körperlichen Ausschreitungen kommt. Alle haben sich wieder lieb und reden wieder gesittet miteinander. Und beide Seiten können befriedigt nach Hause gehen. Denn letztendlich war es ein unglaublich Spannender Kampfabend!