Tragische Niederlage für Germania

Germania Krefeld Landgraaf 24:25

Damit hatten wir nicht gerechnet, das war ärgerlich. Denn gegen Landgraaf zu verlieren hatte man nicht auf dem Plan, weil der holländische Verein schien nach der Papierform ein leicht zu besiegender Gegner zu sein. Dann doch noch mit nur einem Pünktchen zu verlieren tut noch extra weh, nur ein Pünktchen, im Nachhinein fragt man sich, wo hat man das Pünktchen zu viel verloren, wen kann man verantwortlich machen für diese Panne?
Beklagen können wir uns Krefelder beileibe nicht, im Jahr zuvor hatten wir die meisten unserer Kämpfe genauso hauchdünn gewonnen. Und so können wir diese Niederlage getrost als statistischer Ausgleich zum Glück im Vorjahr verbuchen, vielleicht tut es dann nicht ganz so weh.
Und nun zum Kampf:
Die Begegnung beginnt schon schlecht in der vorgezogenen 86 Kilo Klasse. Waldemar Schäfer von Krefeld verliert technisch Unterlegen gegen Moein Mohseni. Er verliert vor allem, da er in der Bodenlage mehrfach durchgedreht werden kann.

Der Kampf des Tags sehen wir in der 57 Kilo Klasse. Für Krefeld steht Leyan Can Colak auf der Matte. Sein Gegner Hamza Jalrizi ist tatsächlich mal leichter als unser Mann. Mit 53 Kilo hat der Holländer zwei Kilo weniger Gewicht. Aber deswegen ist Jalrizi noch lange kein Fallobst. Leyan taucht blitzschnell ab, ist blitzschnell hinter seinem Gegner, doch der wendet sich ebenso blitzschnell wieder ab. Das geht alles so rapide, man kommt bei diesen Leichtgewichten mit dem sehen kaum nach. In einer Situation wird es für Colak kritisch: Leyan hält seinen Gegner in der Kopfklammer, Jalrizi klammert die Arme des Krefelders und kann ihn tatsächlich auf den Rücken wenden. Jetzt wird es brandgefährlich für Colak, zum Glück ist er sehr gelenkig und kann sich befreien. Aber Leyan greift weiter an und kommt durch, wenn auch nur mühsam. Der Kampf ist äußerst ausgeglichen und daher unglaublich spannend. In der zweiten Halbzeit flutsch es besser für Leyan, er greift weiterhin viel an. Seine Angriffe werden stark gekontert, die beiden verknoten sich zum wirren Gliederknäuel. Doch Leyan gewinnt stets die Oberhand. In den letzten Sekunden erwischt Colak seinen Gegner kalt mit einem Doppelbeinangriff, wirft ihn auf dem Rücken und hier hat er die Möglichkeit zu schultern: Wir schauen auf die Matte und gleichzeitig auf die Uhr, es sind nur noch ein paar Sekunden. Das Publikum brüllt wie besessen, sie wollen ihn, den Schultersieg. Leyan arbeitet sich zur Schulter hoch und es fehlt wirklich nicht viel. Aber es ist zu spät, schade, es reicht nicht zum Schultersieg. So gewinnt Leyan letztendlich deutlich 17:8 nach Punkten.

Im Schwergewicht steht für Krefeld der Suleiman Alikhanov gegen Iman Bahramsari im Griechisch Römischen Stil auf der Matte. Obwohl der Krefelder Freistilspezialist ist, lässt er seinen Gegner schlecht aussehen und wird bei einem Rumreißer Hintermann. Es steht 3:0 bis zur Pause, das sieht doch ganz passabel aus. In der Bodenlage dreht der Holländer Suleiman durch. Bei der zweiten Rolle kann der Krefelder Bahramsari abfangen, der Holländer liegt in der gefährlichen Lage. Wir Krefelder setzen an zum Freudenschrei, der Puls geht hoch, das Adrenalin schießt in die Blutbahn. Doch was macht der Kampfrichter nun hier , er pfeift ab, weshalb auch immer und nimmt Suleiman diese einmalige Chance.
Am Ende bricht Alikhanov konditionell ein und verliert den Kampf 3:11. Schade, schade, schade.

Der nächste Kampf schockt uns Krefelder, denn unser bisher stärkster Kampfer der Mannschaft, Abdul-Malik Magomadov kommt gegen Imran Adilgeriev nach anderthalb Minuten technisch Unterlegen unter die Räder. Es steht jetzt 3:11 für die Holländer, man kann schon erahnen, das es schwer wird für die Krefelder heute.

Doch nach dem nächsten Kampf können die Krefelder wieder hoffen. Hier kämpft für die Heimmannschaft Mohammed Jamshidi ein iranischer Ringer, der aus Meppen dieses Jahr nach Krefeld gekommen ist. Ein neues Gesicht also für das Heimpublikum.
Es ist ein knapper Kampf gegen Jelmer Breemer, der körperlich stabiler ist. Aber Jamshidi behält stets die Kontrolle über den Kampf, kann Beinangriffe durchziehen. Nach einer weiteren Beinattacke hat Mohamed seinen Gegner in der fünften Minute in die Bodenlage befördert. Es steht 7:3 für den Neu-Krefelder und er setzt zum Einsteiger an. Ein Griff, den man heutzutage gar nicht mehr kennt, seit 20 Jahren habe ich ihn nicht mehr gesehen, das ist die gute alte Iraner Ringerschule. Und das der Griff noch effektiv ist und gut funktioniert wird uns hier auf anschauliche Art demonstriert: Wie auf einer Streckbank wird Breemer jetzt gedehnt, gedreht gwalkt und auf den Rücken gewendet. Dann nimmt sich Jamshidi noch den Kopf hinzu und endlich haben wir ihn, den hoch ersehnten und so notwendigen Schultersieg. Jetzt platzt es aus dem Publikum heraus, keiner bleibt mehr auf den Sitzen, jetzt toben sie und freuen sich, als ob schon der Mannschaftskampf gewonnen wäre. Ist er aber noch lange nicht, immerhin kommen wir näher heran, 8:11 steht es nur noch für Landgraaf, das sieht doch schon besser aus, da ist also noch alles drin heute Abend.

Vor der Halbzeit gibt es noch was fürs Auge: Die weibliche Tanzgruppe Energy bietet uns eine Tanzeinlage. Alle sind in orangen Jogginghosen und bauchfreien Top gekleidet. Synchron springende Beine und elastisch schwingende Hüften zu Discomusik wird geboten. Die Mädels haben es drauf mit den tanzen, beweglich, locker und einfach passend zur Musik, da stimmt alles, da muss man auch kein Fachmann sein in dem Gebiet. Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hinschauen soll.

Dann kommen wir wieder zum Geschäft, beziehungsweise zum Sport, für den wir hier her gekommen sind.

In der 66 Kiloklasse sehen wir mit dem Jugendlichen Dmytro Kornilov einen weiteren Neuzugang von Krefeld. Er ist als Ukrainischer Flüchtling an den Niederrhein gekommen. Gegen seinen Gegner George Ramm hat er keine Chance, kein Wunder, der Landgraafer ist englischer Nationalringer und in der Liga bisher ungeschlagen. In der vierten Minute verliert er technisch Unterlegen.

Genauso schnell geht es auch beim nächsten Kampf zu aber mit umgekehrten Vorzeichen für Krefeld. Ben Haeffner degradiert seinen holländische Gegner Georgi Antoanov Zhizgov, ein Beinangriff folgt dem nächsten, der Landgraafer hebt ständig von der Matte ab und landet unsanft auf den Boden. Jetzt haben die Krefelder wieder einiges zu jubeln, das macht Spaß, da kommt Freude auf. Es steht 12:15 für Landgraaf.

Doch es stehen noch die Frauenkämpfe bevor. Und die Krefelderin Lina Sue Odendahl hat in der 59 Kilo Klasse eine schwere Aufgabe vor sich. Mit Csilla Josefien van Os hat sie gar eine Europameisterin als Gegnerin. Nicht verwunderlich, das sie gegen ihre Über-Gegnerin geschultert wird.
Für Levinay Colak läuft es in der 65 Kilo Klasse wesentlich besser, sie schultert ihre Gegnerin gleich bei der ersten Aktion. Dumm nur, das die 59 Kiloklasse voll für den Mannschaftskampf gewertet wird, bei 65 Kilo der Frauen bekommen beide Parteien jeweils nur zwei Punkte. Es steht schon 14:22 für Landgraaf, jetzt wird es verdammt eng.

Deswegen erhält Ayoub Bolakhrif vom Trainer in der 71 Kilo Klasse die Anweisung, unbedingt auf Schulter zu gewinnen. Denn heute zählt jeder Punkt. Doch man weiß, Ayoub ist mehr der technisch Überlegen-Gewinner. Er kann Punkte fressen wie eine Karteikarte für die Autofahrer in Flensburg, doch mit dem Schultern hat er es nicht so.
Ayoub ist blendend in Form und er überrollt seinen Gegner Antonio Martins Cabral förmlich. Man kann von Anfang an erkennen, wie die Kräfteverhältnisse verteilt sind. Cabral spult die ganze Palette des passiv-Ringens ab, es bleibt ihn auch nichts anderes über. Denn Ayoub legt ein Tempo vor wie ein Berserker. Er reißt ihn um, Cabral dreht sich zurück. In diesem Augenblick schubst Bolakhrif ihn einfach um, Cabral fallt auf den Rücken. Ganz simpel, ohne Schnickschnack. Mag sein, das ist keine allzu feine Technik, gar nicht Bolakhrif gemäß. Denn die Bolakhrif Brüder sind ansonsten bekannt für ihre schöne, ästhetische Kampfkunst. Egal, das gibt dennoch vier Punkte und das Publikum ist begeistert.
Es geht weiter, Ayoub versucht aufzuziehen, sein Gegner versucht es zu vermeiden. Und dann hat er ihn an der Hüfte, und wie das weitergeht, das wissen wir ja schon. Wenn ein Bolakhrif sein Gegner an der Hüfte greift, dann lässt er sich nicht lange bitten. Schon geht es los mit dem Flug nach hinten. Am Boden liegend hält Ayoub seinen Gegner schön fest, wie es der Trainer angeordnet hat, belastet den Oberkörper und: Er Schultert! Na bitte, es geht doch, ein Bolakhrif kann doch auf Schulter gewinnen!

Es steht nun 19:22 für Landgraaf, es bleibt also weiter eng. Bei einem Kampf, der noch folgen wird. Es kommt mit der 75 Kilo Freistil nur noch ein Kampf, denn den 75 Kilo Griechisch Römisch Kampf haben die Krefelder schon gewonnen, weil die Landgraafer in dieser Gewichtsklasse keinen stellen. Es steht also rechnerisch 23:22 für Krefeld, es kommt also auf den Kampf zwischen den Krefelder Philipp Haeffner gegen Muhammad Abdurachmanov an. Das wird schwer für Haeffner, weil der Holländer ist dritter Kadetten Europameister. Wo haben die Landgraafer denn den aus dem Hut gezaubert, frage ich mich, er wurde bisher bei den vorherigen Kämpfen nicht eingesetzt, das ist gemein, ausgerechnet gegen Krefeld
Auch wenn Philipp sich teuer verkauf und es Anfangs noch ein Kampf auf Augenhöhe ist, letztendlich muss er sich mit 4:12 geschlagen geben. Die mitgereisten holländischen Fans schreien vor Freude über den gewonnen Mannschaftskampf, die Krefelder sind gefrustet.

Schade schade, jetzt heißt es, Wunden lecken und den Kampf analysieren. Aber viel Zeit haben die Krefelder nicht, denn es geht gleich weiter. Am dritten Oktober folgt in der Halle Felbestraße 24 der nächsten Heimkampf, mit einem noch schwereren Brocken, mit Köln Mülheim, die bisher noch ungeschlagen sind. Aber auch hier ist alles offen, die Rheinländer Mannschaften stehen alle sehr dicht beieinander. Und wie man heute gesehen hat, kann man nicht immer nach der Papierform urteilen.