Schlachtfest gegen Köln Mülheim

16.10.2021

Krefeld mit Rekord-Klatsche gegen Köln Mülheim 43:5

von Alex Jodas

Ja ist denn schon Sankt Martin? Werden heute die Martinsgänse hier geschlachtet, mag sich mancher in der Halle auf der Steinstraße gefragt haben. Denn die Kölner Ringer mussten ordentlich Federn lassen, sie wurden von den Krefeldern buchstäblich gerupft. Am Ende kam schon etwas Mitleid mit den Gästen auf, denn es ist nicht lange her, vor der Corona Pause noch waren die Germanen selber in dieser Opferrolle, sie wissen ganz genau, wie sich so eine Klatsche anfühlt.Und nun die Ergebnisse im Einzelnen: In der Frauenklasse hat Lina Sue Odendahl von Krefeld wieder keine Gegnerin. Ich habe sie bisher noch kein Mal kämpfen gesehen. Das sind zwei Punkte für Krefeld.In der 57 Kilo Klasse hat Abakar Mekhtiev von Krefeld gegen Tamim Hashimy keine Chance. Nach einer halben Minute geschultert. Das ist keine Überraschung und auch kein Beinbruch, denn der Krefelder ist gerade mal 14 Jahre alt, da wäre alles andere eine Sensation gewesen.Die Mülheimer führen jetzt 2:5. Aber das war es schon für den Gast, keinen Kampf werden sie mehr gewinnen!Als nächstes treten die schweren Jungens auf die Matte. Nigel Weber für Krefeld wiegt satte 125 Kilo, der Kölner Gabriel Cuzguneanu bringt nur 105 Kilo auf die Waage , ist aber ein geballter Berg aus Muskeln. Wir Krefelder bekommen Angst bei seinem Anblick, der Mülheimer sieht aus wie ein Hulk in Fleischfarben. Den Kampf startet der Kölner wie aufgedreht, er setzt Nigel unter Druck und lässt ihn blass aussehen. Nigel muss rückwärts gehen, er hat gehörigen Respekt. Denn bei seiner letzten Begegnung mit Cuzguneanu vor zwei Jahren hatte Nigel noch auf Schultern verloren. Der Kölner umgreift Nigel die Hüfte und will ihn nach hinten schleudern. Der Krefelder aber ist hellwach und kontert. Er knickt Cuzguneanu einfach nach hinten ab, er faltet ihn sozusagen rückwärts zusammen. Eine simple Lösung, einfach aber wirksam. Denn jetzt liegt der Muskelbulle auf dem Rücken, genau dort, wo wir Krefelder ihn haben wollen. Jetzt geht das Gekreische los in der Halle, so laut, das man sein eigenes Wort nicht versteht, alle rennen nach vorne zur Matte und wollen den Schultersieg ganz nahe betrachten. Ich kann kaum was erkennen weil die Leute mir den Blick verstellen. Ich erkenne nur eine wild zuckende Masse Fleisch, Arme und Beine, die wie bei einem Ertrinkenden aus dem Fleischberg ragen und hilflos ins Leere rudern. Der Kölner kann sich noch kurz aus dieser misslichen Lage raus retten. Aber nur kurz, Nigel kennt kein Erbarmen, er sinnt auf Revanche von 2019 und holt ihn zurück in die gefährliche Lage. Der „Todeskampf“ des Kölners geht quälend lange zwanzig Sekunden, er ist noch frisch und hat weiterhin viel Energie. Doch das nützt ihm alles nichts, Nigel vollstreckt und schultert noch in der ersten Minute! Wow, wir brüllen uns in einem Freudentaumel. Unser Schwergewichtler ist gut in Form, er trainiert in diesen Jahr tatsächlich, das schadet nicht, kann man hier live erkennen!Weiter geht es in der 61 Kilo klasse mit dem Krefelder Abdul-Malik Magomadov gegen Elchan Mahmudov. In diesem Kampf haben wir keine große Erwartung, zum einem, da Malik noch Jugendlicher ist und wenig Erfahrung vorweisen kann. Und zweitens, weil er Freistilkämpfer ist, er hier aber Griechisch Römisch kämpfen muss. Doch auch Malik scheint gut in Form zu sein, er ringt auf Augenhöhe gegen den Kölner, liegt in der ersten Minute zwar 0:2 zurück. In der zweiten Minute will ihn der Kölner schleudern. Malik ist aber gut ausgeschlafen und fängt ihn ab, jetzt liegt plötzlich Mahmudov in der gefährlichen Lage. Ich kann es gar nicht fassen, wie frech ist das denn, was fällt unserem jungen Nachwuchsringer denn ein? Aber wird er auch abgebrüht genug sein, diese Chance für sich zu nutzen, frage ich mich, wird er seinen Gegner schultern können? Malik beantwortet mir diese Frage sogleich, er schultert den Kölner. Ja, wie geil ist das denn, das hatte hier keiner auf dem Plan, das ist eine faustdicke Überraschung, wir Krefelder kommen aus dem Jubeln gar nicht mehr raus.Dem folgenden Halbschwergewichtskampf in der 98 Kilo Klasse sehe ich besonders gespannt entgegen. Denn unseren Neuzugang Suleiman Alikhanov hatte ich bisher erst einmal in der Vorwoche kämpfen sehen. Sein Hauptkampf findet vor allem in Vorfeld statt, er muss seit einem Monat hart abtrainieren, er hatte im September noch 115 Kilo auf den Rippen, das waren 17 Kilo zu viel, die runter mussten. Daher kann es gut passieren, dass er inkonstant kämpft. So passiert es auch heute, gegen den Kölner Selim Hungaev lässt er sich von einem Armdrehgiff überraschen. Man sieht ihn einen kurzen Augenblick in Not, er kommt fast in die gefährliche Lage. Aber nur fast. Wie in der Vorwoche beginnt er recht schwach und unkonzentriert. Wahrscheinlich eine Folge des „Abkochens“, wie man das Abnehmen beim Ringen bezeichnet. Und jetzt hat man den Eindruck, Suleiman wird böse. Er klammert seinen Gegner am Kopf und zieht die Kopfschleuder. Nicht einmal, nein, gleich zweimal muss der arme Kölner diese Tortur über sich ergehen lassen, gleich zweimal wird er förmlich durchgewalkt. Bei dieser Technik wird der gesamte Körper nur am Kopf durch die Luft geschleudert, allein beim Anblick könnte man ein Schleudertrauma bekommen. Und Suleiman scheint immer noch nicht besänftigt, man könnte meinen, er sei ernsthaft sauer geworden, denn die Bestrafung geht weiter: Er packt ein Bein und gleichzeitig den Kopf seines Gegners und schnürt das ganze zum Paket. Dieses Paket wendet er wie ein Postbeamter auf den Rücken. Aus dieser Position kann sich sein Gegner kaum raus retten, das ist hier allen klar, und so kommt er unabwendbar, der Schultersieg in der zweiten Minute!Wir Krefelder kommen aus dem jubeln gar nicht mehr raus, es steht schon 17:5 für Krefeld, was kann da noch anbrennen?Zum Spaß rechne ich aus, wie viel Kampfzeit in all diesen kurzen vier Kämpfen vergangen sind: Gerade mal ein wenig über drei Minuten wurde netto gekämpft.Im 66 Kilo Kampf scheint es zu Anfang ein Kampf auf Augenhöhe zu geben, denn in der ersten Minute tasten sich Mert-Fatih Simsek von Krefeld und der Kölner Abdul-Malik Zubairaev erstmal respektvoll ab. Es passiert nicht viel, außer das Mert eine Passivitätsverwarnung erhält. Dann greift der Krefelder beide Beine des Gegners an und wirft ihn auf den Rücken, der Kölner versucht, seinen Gegner zu übertragen, aber Mert zieht unbeirrt an den Beinen: Das sind fette vier Punkte für Krefeld, die Halle kocht!Dann in der dritten Minute greift Mert noch einmal beide Beine seines Gegners an. Er hebt ihn schulmäßig aus und wirft ihn auf den Rücken. Und da er dieses Mal in der Mitte der Matte seinen Griff vollzieht kann sich sein Gegner nicht in die blaue Zone raus retten. Er fixiert ihn auf den Rücken. Jetzt kann er ihn sogar schultern, ich glaube es nicht, heute läuft hier alles wie am Schnürchen, das ist eine starke Leistung von dem Krefelder, der nicht umsonst neunter in der stark besetzten deutschen Junioren Meisterschaft geworden war.Vor der Pause steht es jetzt 22:5 für Krefeld, die Spannung lässt jetzt natürlich nach, denn was soll nach so einem Punktestand noch passieren, rein rechnerisch wäre für die Kölner noch was drin. Doch wissen wir, das die Krefelder in der zweiten Halbzeit noch stärker besetzt sind. Und so geht es munter weiter mit dem gewinnen, der 86 Kilo Mann von Krefeld, Tim Stoll, bekommt keinen Gegner von Köln gestellt, das sind gleich fünf geschenkte Punkte. Die Krefelder Mannschaft hat zu diesem Zeitpunkt bereits gewonnen, da können die Mülheimer anstellen, was sie wollen. In der 71 Kilo Klasse demontiert Jakub Marchlewski seinen Gegner Malik Eliseev mit einer technischen Überlegenheit. Dieser Kampf wird hauptsächlich in der Bodenlage entschieden, Jakub hebt seinen Gegner mehrfach aus der Bodenlage aus und stürzt ihn spektakulär über.Ähnlich dominant überlegen ist Ben Haeffner in der 80 Kilo Klasse gegen Deni Hungaev. Sensationell dreht Ben gleich sieben Mal hintereinander die Beinschraube, hier kommt Jahrmarktstimmung auf, die Leute kreischen vor Freude. Beide siegen technisch Überlegen.Der erste Kampf, der fast über die gesamte Kampfzeit geht und ein hochklassiger Kampf von beiden Seiten her ist, folgt in dem kommenden 75 Kilo Kampf zwischen Philipp Haeffner und dem Kölner Mahmut Akbulut. Philipp ist über die gesamte Kampfzeit gefordert aber auch überlegen. Es ist der wohl ausgeglichenste Kampf des Abends, auch wenn der Krefelder die Hosen anhat. Er muss mühsam die Punkte sammeln, er setzt seinen Gegner unter Druck, schiebt ihn raus. Gelegentlich kann er auch Hintermann Punkte erringen. Eine Schreck dann für den Krefelder, als Akbulut ein Lebenszeichen für Köln aussendet. Er besitzt tatsächlich die Frechheit, eine Kopfschraube zu ziehen. Das war es dann aber auch für den Kölner, Haeffner kann bis in der sechsten Minute technisch Überlegen gewinnen. Zum Ende setzt Niklas van Berkum gegen Dukwakha Zubairaev in 75 Kilo Griechisch Römisch dem Mannschaftskampf mit einem Sieg noch das Sahnehäubchen auf. Auch er erledigte seinen Job technisch Überlegen, er kann vor allem am Boden punkten, mit Überstürzern und mit Durchdrehern.Was ist nur los mit den Krefelder Ringern, mag man sich fragen, wie ausgetauscht kämpften sie gestern, kein Kampf ging über die volle Zeit, entweder die Gegner wurden geschultert oder es wurde eine technische Überlegenheit erzielt. Man hatte den Eindruck, die Kämpfer wollten es möglichst schnell hinter sich bringen, schnell duschen gehen, um zu feiern, wollten sie nachher gar weiterkämpfen mit der nächsten Mannschaft?Ist das der Focken Effekt, der die Krefelder so beflügelt, der Olympia- Sieg von Aline Focken? Oder liegt es am neuen Trainer Eric van Berkum? Ich denke, es ist eine Kombination aus beiden, so ist das nun mal im Leben, es gibt Zeiten, da läuft alles nach Plan, da flutscht es, da gelingt einem alles. Germania scheint zur Zeit die Sonne aus dem Arsch, Pardon, aus dem Gesäß. Und das kann meinetwegen gerne so weitergehen!