Niederlage zum Oberligaauftakt / Landesligateam siegt

Nichts zu holen gab es für den KSV Germania zum Oberligaauftakt beim leitztjährigen Meister TV Essen-Dellwig. Mit 7 : 22 zogen die Krefelder Ringer den Kürzeren. Die Landesligabegegnung beider zweiter Mannschaften gewann Germania dagegen deutlich mit 28 : 6.

Hier der ausführliche Bericht vom Kampftag (Autor: Alex Jodas):

Es ist der 23. August, aber das Wetter ist kalt wie mitten im Herbst. Eigentlich höchste Zeit für eine ordentliche Winterdepression. Aber halt, die Ringer Saison hat ja begonnen. Mit einem Handstreich ist die Niedergeschlagenheit weggewischt. Was haben wir uns gefreut auf diesen Tag. Wie ein Schulkind vor der Bescherung. Wie im Adventskalender hat Oliver Stach, Fotograf der Ringerscene, in Facebook jeden Tag bis zum Beginn der Saison in Facebook runtergezählt. Es knistert vor Spannung.
Und heute geht es endlich los. Es ist alles da was Rang und Namen hat in der Ringerscene. Ich sehe einige Ringertouristen aus Hückelhoven, Styrum und Rheinhausen. Man gesellt sich zu ihnen, plaudert, tauscht Fachgespräche aus. Jeder ist heute Fachmann. Es ist eine Stimmung wie beim Public Viewing bei der Fußballweltmeisterschaft. Nur ist es hier hautnah. Mit Athleten zum Anfassen. Auch das eine oder andere Bier fließt. Man wird schließlich durstig bei den Diskussionen. Da trinkt sich das Bier umso besser.
Habe schon gestern mit Essener Trainer Christian Jäger telefoniert. Mit Grabesstimme teilt er mir mit, dass es für die Essener nicht leicht werden wird, weil einige Leute seiner Mannschaft nicht antreten würden. Hallo, denke ich mir, ist das nicht jammern auf hohem Niveau? Genau gesagt, auf Zweitliga Niveau? Denn so stark ist die Essener Mannschaft mittlerweile: Letztes Jahr schon war die Mannschaft Oberligameister. Dieses Jahr hat Christian Jäger alle schwächeren Positionen mit sechs Neuzugängen ausgewechselt. Das heißt, die halbe Mannschaft kann ersetzt werden. Was haben die Essener vor? Möchten sie direkt in die erste Liga aufsteigen? Jetzt gibt es keine Schwachstelle mehr in seiner Mannschaft. Es geht heute wohl nur darum, wie hoch wir verlieren. Ein Sieg gegen diese übermächtige Mannschaft ist kaum denkbar.
Um 16 Uhr bricht die erste und zweite Mannschaft mit mehreren Wagen von Krefeld auf. Aber mit nur zwei Autos kommen wir in Essen an. Der Mannschaftsbus hat eine Reifenpanne und der Wagen von Vitali Alekseev steht wegen Kupplungsschaden in Duisburg auf der Autobahn. Jetzt heißt es, schnell handeln, denn die zweite Mannschaft muss um 17 Uhr 30 auf die Waage. Jetzt wird’s eng, die Leute von der Zweiten müssen vorrangig erstmal mit anderen Autos abgeholt werden. Die Reifenpanne kann mit einem Ersatzreifen behoben werden. Alle kommen rechtzeitig zum Wiegen.

Die zweiten Mannschaften von Krefeld und Essen treten in der Landesliga gegeneinander an. Wir Krefelder sind überraschend überlegen. Wir gewinnen meist auf Schulter, die Niederlagen können wir möglichst knapp halten. Daher ist das Ergebnis verdient deutlich mit 6:28
Und nun zum Hauptakt, der Ersten Mannschaften Oberliga. Der erste Kampf in 57 Kilo Freistil beginnt für uns sehr hoffnungsvoll. Wider Erwarten wehrt Vitali Alekseev zwei Beinangriffe seines Gegners Ramzan Awtaew erfolgreich ab und wird jeweils Hintermann. Es steht 4:0 für Vitali, das sieht doch ganz gut aus, meinetwegen könnte es so bleiben. Aber als wäre er aus dem Schlaf erwacht dreht jetzt Awtaew gehörig auf. Er wird mehrfach Hintermann, führt erfolgreiche Beinangriffe aus und schultert ihn schlussendlich nach 2:53 Minuten. Verdammt!

Weiter geht’s mit dem Schwergewichtskampf in Griechisch Römisch. Hier hat der Krefelder Neuzugang Tim Focken, der Sohn des Trainers Georg Focken, direkt seine schwerste Prüfung in seinem ersten Oberligakampf bei Krefeld: Sein Gegner Björn Holk war 2013 der stärkste Kämpfer der Oberliga, vielfacher deutscher Meister, Weltmeisterschaftsteilnehmer und Erstliga Ringer. Auf der Matte stehen sich insgesamt 190 Kilogramm bestens durchtrainiertes Muskelfleisch gegenüber. Focken hat sogar noch ein paar Kilo mehr drauf als Holk. Unbeeindruckt von dem großen Namen setzt der Krefelder einen Armschulterzug an. Den blockt Holk ab. Als Focken sich zurück dreht steht er einen Moment instabil. Hier schubst Holk ihn einfach um und Focken landet in der gefährlichen Lage. Nicht spektakulär, aber effektiv. Nach nur einer Minute wird Tim geschultert. Puh, das muss man erst einmal verdauen. Die Gesichter auf der Krefelder Seite verdüstern sich zunehmends.

Der Kampf in 61 Kilo Griechisch Römisch ist auch eine kurze Geschichte: in nur 49 Sekunden demontiert der Essener Ekrem Gülönü den Krefeder Lukas Demczuk mit technischer Überlegenheit.
Im 96 Kilo Kampf Freistil keimt für uns Krefelder endlich Hoffnung auf. Schließlich haben wir diese Paarung schon über Jahre verfolgen können, bei der meist der Krefelder die Oberhand gewinnen konnte. So auch heute. Alex Wagner von Krefeld holt wie gewohnt seine Punkte gegen Christian Jäger von Essen mit seinen explosionsartigen Angriffen. Aber Jäger wirkt stärker als in den Jahren zuvor. Kein Wunder, dieses Jahr ist er deutscher Meister in der Veteranenklasse geworden. Hierfür hatte er sich bestens vorbereitet. Diese starke Form nimmt der 40 jährige jetzt mit in den Kampf.
Am Mattenrand erwischt Alex Wagner Christian mit seiner berüchtigten Schleuder. Als der Kampfrichter unverständlicherweise für diese Aktion Jäger 4 Punkte zuspricht, bricht bei uns Krefeldern die helle Aufregung aus. Unser Frust kanalisiert sich nun auf den Kampfrichter Michael Faller. Wir schimpfen wie die Rohrspatzen über diese Entscheidung. Als wäre er für unsere Misere verantwortlich.
So verliert Wagner diesen Kampf denkbar knapp mit 5:4.
Unsere Laune ist total im Keller
Um dem Krefelder Elend noch ganz die Krone aufzusetzen, dreht der Essener Kevin Schoska unseren Dieter Tschierschke in der 66 Kilo Freistilklasse sieben Mal hintereinander durch. Hiernach steht es 14: 0 für den Essener, es fehlt nur noch ein Punkt zur technischen Überlegenheit. Aber Dieter gibt nicht auf, er kann bei einem Beinangriff Hintermann werden. Das wars dann aber für ihn, Schoska holt nach zweieinhalb Minuten den Punkt zur technischen Überlegenheit. Keine Schande für Dieter, schließlich war Schoska jahrelang Bundesligaringer und dritter Deutscher Meister.
Es steht 17:0 für Essen nach der Halbzeit. Oh weh, so hatte ich mir unseren Saisonstart nicht vorgestellt. Gehen wir heute etwa völlig unter?
In der zweiten Halbzeit gibt es den ersten Kampf in Griechisch Römisch zwischen Waldemar Schäfer für Krefeld gegen Eduard Klipel. Hier sieht Klipel passiv aus, er blockt und mauert wo er nur kann. Der Kampfrichter Michael Faller sieht das auch so und verwarnt ihn mehrfach. Waldemar kämpft wie gewohnt elegant, er reißt Klipel im Stand aus seinem Gleichgewicht und wird somit Hintermann. Auch im weiteren Kampfverlauf behält Schäfer stets die Nase vorn und kann souverän mit 6:0 gewinnen.
Als nächstes stehen sich in der 66 Kilo Klasse GR Alex Winke von Essen Ayoub Bolakhrif von Krefeld gegenüber. Der Erwachsene Alex Winke ist gegenüber dem Jugendlichen Ayoub stärker einzuschätzen, immerhin hat Winke in der Oberligasaison 2013 eine Kampfeffizienz von 80 Prozent vorzuweisen.
Aber Ayoub hält sich gut, er ist am Anfang im Stand sogar überlegen. Er führt 4:2. Aber dann geht alles ganz schnell: in der Pattere packt er Ayoub für einen Durchdreher. Er hat seinen rechten Arm dabei eingeklemmt. So kann er ihn siebenmal hintereinander durchdrehen bis er technisch überlegen gewinnt.
In der 86 Kilo Freistilklasse tritt Schamil Kasumov von Essen gegen Vitali Jeschke an. Letztes Jahr hatte Vitali noch knapp gegen den Essener gewinnen können. Aber der Junior Schamil hat sich weiterentwickelt, er ist dieses Jahr 3. bei den Deutschen Juniorenmeisterschaften geworden. Wie letztes Jahr sieht es auch heute nach einer Überlegenheit von Jeschke aus. Er greift mehr an und setzt ihn unter Druck, dass er sich nur mit einer Mattenflucht retten kann. 1:0 führt Jeschke. Weiterhin kann er einen Außenbeinangriff starten, bei dem es nicht gut für Kasumov aussieht. Aber in artistischer Art und Weise entzieht Schamil sich mit einem Flick Flack und wehrt somit den Angriff ab. Als Jeschke nach einer nächsten Attacke dann schon fast Hintermann wird dreht der Essener den Spieß um und wird seinerseits Hintermann. So endet der Kampf denkbar knapp mit 2:1 für den Essener.
Als nächstes kommt eine Begegnung in 75 Kilo Freistil, die ein Höhepunkt zu werden verspricht. Unser Neuzugang Levan Rechviasvili aus Griechenland gegen Olav Holländer. Unser Mann ist griechischer Meister der Junioren und achter der Kadetten- Europameisterschaften. Das ist ja eine vorzeigbare Visitenkarte. Der Gegner, Olav Holländer, ist mit noch höheren Titeln dekoriert, er war dritter Juniorenweltmeister, zweiter der deutschen Meisterschaft und jahrelang kämpfte er in der ersten Liga. Ich selber habe noch die ein wenig unerfreuliche Ehre gehabt, gegen ihn anzutreten. Denn er ist mittlerweile schon um die 40 Jahre alt.
Der Kampf wird dann überraschenderweise einseitig vom Krefelder Griechen dominiert. Er greift schneller an, kann Hintermann werden. Holländer kassiert eine Verwarnung wegen Passivität. Levan setzt Holländer weiter unter Druck, wird nochmals Hintermann. Dann ein schöner Beinangriff außen von Holländer. Hier lässt er seine alte Klasse aufblitzen. Aber der Krefelder kontert souverän und gönnt ihm selbst nicht diesen Punkt. Der schönste Kampf des Abends endet mit einem überraschend deutlichen Punktsieg 10:0 für den Griechen.

Der nächste letzte Kampf ist für mich der Leckerbissen des Abends. Hier hat Sohayb Mousa eine enorm schwere Aufgabe zu bewältigen. Denn sein Gegner in 75 Kilo Griechisch Römisch ist kein geringerer als Tim van Voorst
Er ist einer der Neuzugänge. Mir sträuben sich die Nackenhaare, Van Voorst, den Namen kenne ich doch. Und zwar Ralf van Voorst, zu meiner aktiven Zeit ein berüchtigter Ringer. Ein weit über die Grenzen des Landes gefürchteter Kämpfer. Er schulterte alles, was ihm über den Weg lief. Wenn über ihn geredet wurde, hat man seinen Namen geflüstert. Aus Ehrfurcht? Um nichts zu beschwören?
Im Vorfeld mache ich meine Hausaufgaben und suche im Internet nach seinem Sohn, Tim van Voorst. Ich finde ein Foto von ihm in Kampfposition. Er sieht aus wie ein vom Sockel gestiegenes Denkmal. Ein Mann wie aus Stein gemeißelt, Bauchmuskeln wie ein Panzer, Arme wie Keulen,. Er verteilt einen rechten Haken an einen imaginären Gegner. Der Gegner möchte ich nicht sein. Was ich über ihn erfahre: er ist ehemaliger Bundesligaringer bei KSV Witten und beim TKSV Bonn-Duisdorf, 9 der Militär WM, zweimal zweiter deutscher Meister Vor ein paar Jahren ist er in das MMA Fach gewechselt. Und er ist im besten Mannesalter, er ist 25 Jahre alt.
Sohaib ist grade mal 18 Jahre alt, ich hoffe nur, dass er gegen so einen erfahrenen Mann nicht untergeht. Aber auf der Matte gibt Sohayb ein erstaunlich gutes Bild ab. Er bedrängt Tim, zieht ihn auf, lässt ihn passiv aussehen. Und er sieht nicht nur so aus, er ist es tatsächlich. Er findet keine Mittel, gegen unseren Jugendlichen aufzubegehren. Van Voorst bekommt eine Verwarnung wegen Passivität. Sohaib erhöht noch den Druck. Der Essener Kämpfer gibt keine gute Figur gegen den Krefelder ab, so dass der Kamprichter Tim in die Bodenlage schickt. Hier vollbringt Sohayb die Energieleistung und dreht ihn durch. Aber van Voorst gibt sich nicht geschlagen und windet sich aus der Unterlage. Und wird Hintermann. Es gibt zwei Punkte für beide. Sohayb ringt weiterhin mit harten Bandagen und erhält Aktivitätspunkte. Ich kann es kaum glauben. Sohayb bringt seine Führung über die Zeit, Unglaublich, Wahnsinn, Gänsehaut!
Die zweite Halbzeit versöhnt uns Krefelder über die misslungene erste. Und wir fahren mit dem guten Gefühl nach Hause, uns gegen Essen doch noch recht teuer verkauft zu haben.