Krefeld klatscht Angstgegner Landgraaf weg

30.10.2021: Germania Krefeld gegen KSV Simson Landgraaf 29:12

von Alex Jodas

Es lief in Krefeld heute alles wie am Schnürchen. Jeder Kampf, der auf der Kippe stand, wurde zu Gunsten der Gastgeber gewonnen. Das Publikum peitschte ihre Jungs zur Höchstleistung an. Und die Jungs dankten es ihnen, dass sie über sich hinauswuchsen. Dabei war der Niederländische Verein der große Angstgegner für Krefeld. Landgraaf hatte wie Krefeld bisher noch keine Kämpfe verloren. Und zum erstem Mal hatten die Gegner auch eine Frau für den Frauenkampf gestellt.Nun zu den einzelnen Begegnungen: In der 57 Kilo Klasse wird Abakar Mekhtiev für Krefeld von Milad Khazayi schon in der ersten Minute geschultert. Abakar ist erst 14 Jahre alt, sein Gegner ist Erwachsener, das ist also keine Überraschung. Im Superschwergewicht befürchten wir ein ähnliches Ergebnis. Denn Iman Bahramsari ist wohl der stärkste Schwergewichtler der Liga, Nigel Weber von Krefeld hat bei seine bisherigen Begegnungen immer technisch Unterlegen verloren. In dem Kampf stehen sich zwei Männer gegenüber, auf die die Bezeichnung super schwer haargenau passt. Zwei Männer von 115 Kilo und 125 Kilo lassen Sumogefühl aufkommen. Das sind wohl die stärksten, größten und schwersten menschlichen Wesen, die im Lande aufzufinden sind. In der Tierwelt wären diese beiden Männchen die Alphatiere. Bei den Tieren würden sie um Weibchen kämpfen, hier geht es nur um Punkte. Iman Bahramsari ist ein Berg von Mann, Muskeln wo man nur hinschaut. Bei Nigel Weber ist die Oberfläche weniger kantig geformt. Bei ihm überwiegen die runden, barocken Formen.Aber Nigel schlägt sich gut, er hält gut dagegen, Bahramsari findet keine Mittel gegen den jungen Krefelder.Nigel wird auf den Boden geschickt. Doch der Niederländer schafft es nicht, eine Wertung zu erzielen. Die Halle jubelt. Dennoch ist es ein spannungsarmer Kampf, weil beide gleichwertig sind und keine Griffe zulassen. Das einzige was dem Holländer einfällt, ist, Nigel raus zuschieben. Das macht er gleich sechsmal. Denn die Kondition von Weber schwindet. Dann ist Schluss. Nigel wird gefeiert, als hätte er den Kampf gewonnen, hat er aber nicht, 0:8 hat er nach Punkten verloren. Das fühlt sich aber an wie ein kleiner Sieg, denn Nigel hat immerhin zwei Punkte für die Mannschaft gerettet.Im folgenden 61 Kilo Kampf zwischen Abdul-Malik Magomadov für Krefeld und Ben Ali Mohammed bekommen wir Action pur geboten. Wir sehen einen völlig offenen Schlagabtausch zwischen den beiden, die Viererwertungen purzeln nur so. Auf beiden Seiten. Mal liegt der Holländer unten, mal Malik, es ist ein unübersichtliches Gerangel, manchmal kann man gar nicht erkennen, wer der griffziehende Mann ist. Erst führt der Landgaafer, dann der Krefelder. Doch Malik wird konstanter und nimmt das Heft des Handelns in die Hand. Noch vor der Pause bekommt er die Hüfte seines Gegners gegriffen. Und stürzt ihn schulmäßig über! Das macht er vorzüglich, das Publikum ist ganz aus dem Häuschen. Dabei ist Malik ein Freistilkämpfer. Sein Gegner hat noch Glück,dass diese Aktion am Mattenrand gezogen wurde, denn hier bot sich dem Krefelder die Möglichkeit, zu schultern.Dann nach der Pause wird es für Magomadov kritisch: Der Landgraafer hat Malik um die Hüfte gegriffen, er will gerade zum Überstürzer ansetzen. Doch der Krefelder klammert die Arme und stellt sich in die Standfläche seines Gegners. Er stürzt sich jetzt seinerseits halsbrecherisch nach hinten, er zieht eine Suplex. Das ist gefährlich, das ist rotzfrech, wird er es schaffen? Denn bei diesem Griff kann er auch selber schnell geschultert werden. Doch Malik kippt seinen Gegner auf den Rücken, er hält die beiden Arme fest umklammert. Das ist eine sehr gute Position zum schultern, die Zuschauer springen auf, sie wollen natürlich den Schultersieg: Sie feuern ihren Mann frenetisch an, Malik zieht an den Armen von seinem Gegner als wollte er sie ausreißen. Ben Ali Mohammed versucht verzweifelt, die Brücke zu halten. Aber ihm schwinden die Kräfte, dann kommt das Zeichen vom Kampfrichter: Schulter, die Sensation ist perfekt! Diesen Sieg hatten wir gar nicht auf den Plan, dann noch auf Schulter, ja das läuft ja wie geschmiert. Es steht jetzt 5:8 für Landgraaf, das sieht gut aus für den Anfang, die größeren Pessimisten hatten hier schon mit einem 0:15 Rückstand gerechnet, also mit drei Schultersiegen für die Holländer. Das wäre natürlich eine Ausgangslage, die die Krefelder hätten schwer aufholen können. Als nächstes folgt der 98 Kilo Kampf zwischen dem Krefelder Suleiman Alikhanov und Jelmer Breemer. Den Kampf können wir als Zuschauer entspannter entgegenblicken, denn mit Suleiman haben wir einen zuverlässigen Halbschwergewichtler. Sein Gegner ist von der Optik ganz ähnlich gebaut wie unser Mann, baumgroß und muskelbepackt. Es scheint Anfangs noch ein Kampf auf Augenhöhe zu geben, Jelmer greift ungeniert die Beine von Suleiman an. Doch der Krefeld kann kontern und macht die „Zwei“. Beim zweiten Angriff des Holländers geht es für ihn aber nicht so glimpflich aus. Er macht den Fehler, das er sein Bein zu nahe an seinem Kopf gestellt hat. So greift Suleiman die beiden Körperteile und schnürt sie mit den Armen zusammen. Das ist verhängnisvoll für den Holländer, da kommt er nicht mehr raus. Genüsslich dreht der Krefelder seinen Gegner auf den Rücken. Suleiman staucht seinen Gegner zusammen zu einem handlichen Paket. Und dann geht es auf die Schulter, da ist nichts zu machen für den Holländer. Das Publikum hat jetzt schon wieder was zu jubeln, zwei Schultersiege in Folge, das sind auf die Schnelle mal zehn Punkte. Jetzt führt Krefeld 10:8! Was als nächstes folgt ist eine Neuheit in dem Mannschaftsringen. Ein Frauenkampf wird dem Publikum geboten. Es ist der erste Kampf für die Krefelderin Lina Sue Odendahl gegen Zeynep Irem Dönmez. Odendahl schultert noch in der ersten Minute ihre Gegnerin. Sie setzt einen Kopfhüftzug an. Er ist urplötzlich da, der Kopfhüftzug, man hört nur ein stumpfes Klatschen, mehr nicht, und schon liegt die Holländerin auf dem Rücken. Dönmez und selbst die Zuschauer sind überrascht, wie aus dem nichts kommt dieser Griff, obwohl hier eigentlich Freistil gekämpft wird. Aber bei Frauen sieht man öfters diesen Griechisch Römisch Griff, wahrscheinlich weil sie so locker und elastisch in der Hüfte sind.Und jetzt jubelt das Publikum als ob es um alles ginge und schreit Lina Sue zum Schultersieg. Obwohl jeder hier weiß, das dieser Kampf nicht bewertet wird. Denn die Holländer bekommen trotz Niederlage auch zwei Punkte zugesprochen. Das erschließt sich mir nicht, das ist langweilig, wenn es um nichts geht, so entsteht auch keine Spannung. Im 66 Kilo-Kampf zwischen dem Krefelder Mert-Fatih Simsek und Alex Paulanyi geht es von Anfang an gleich knüppelhart zu. Im dem Kampf um die bessere Position und den günstigeren Griff knallen sie mit den Köpfen aneinander und Finger werden geknickt. Plötzlich stellt sich Paulanyi in Angriffspose mit geblähter Brust vor Mert, als wolle er sich eine Prügelei liefern. Mert tut es ihm gleich und stellt sich ihm in gleicher Pose entgegen. Sie stehen sich so dicht gegenüber, kein Blättchen würde dazwischen passen. Die Stimmung ist jetzt zum Bersten gespannt. Das Publikum ruft Worte zu Beruhigung, eine Schlägerei will hier keiner. Zum Glück haben sich beide noch im Griff, der Kampfrichter trennt die beiden, der Kampf geht weiter.Es ist kein schöner Kampf, den wir hier sehen, aber er ist äußerst spannend. Und vor allem greift Mert geschickt die Beine von Paulanyi an. Er kann sich wehren wie er will, die Punkte muss er letztendlich doch abgeben. Der Holländer ist verlieren nicht gewöhnt, deswegen wird er immer saurer. Einmal kommt Paulanyi mit einem Beinangriff durch, doch Mert lässt nichts anbrennen und gewinnt 6:2 nach Punkten wie ein Profi. Die Zuschauer kriegen sich nicht mehr ein vor Freude und jubeln. Denn das war eine außerordentliche Leistung, die wir ebenso wenig nicht auf den Plan hatten. Der Niederländer ist ein sehr starker Kämpfer, vor zwei Jahren noch hatte er unseren besten Kämpfer der Mannschaft, Emil Gonzalov, schlagen können. In der Pause steht es schon 14:10 für Krefeld, da kann man sich schon entspannen, denn wir wissen, das wir in der zweiten Halbzeit die noch stärkeren Kämpfer haben. Was soll da noch anbrennen?Bei dem ersten 86 Kilo Kampf nach der Pause geht es ebenfalls wieder knüppelhart zu. Tim Stoll kann in diesem Kampf, der auf Augenhöhe geführt wird, noch bis zur Pause 1:0 führen. Doch das reicht nicht aus für den Sieg, der Landgraafer Moein Mohseni wird einmal Hintermann und dreht Tim Stoll durch. Das war es aber schon in diesem Kampf, den Tim Stoll knapp 1:6 nach Punkten verliert. Er hält den Schaden für die Mannschaft somit klein, das sind nur zwei Mannschaftspunkte für Landgraaf, es steht jetzt 14:12 für Krefeld. Schaffen es die Holländer, sich noch ran zu arbeiten?Im nächsten Kampf in der 71 Kilo Klasse hat Jakub Marchlewski für Krefeld mit Wesley Mulder einen ganz ausgebufften, zähen Gegner. In der zweiten Minute überrumpelt der Krefelder seinen Gegner mit einem Kopfhüftzug. Doch der Gegner ist, wie schon erwähnt, ein ganz ausgebuffter, er scheint auf solche Gelegenheiten zu lauern, er überträgt Jakub zugleich und droht ihn zu schultern. Doch Jakub ist beweglich und entzieht sich schnell der Gefahr. Kurz darauf die selbe Situation: Der Krefelder zieht den Griff, der Holländer überträgt. Schon wieder eine brenzlige Situation für den Krefelder, was für eine Spannung, die Zuschauer machen eine Berg und Talfahrt der Emotionen durch. Auch hier kann sich Jakub wieder raus winden. Noch vor der Pause wird Mulder wegen Passivität auf den Boden geschickt. Jetzt hebt ihn Marchlewski aus, und obwohl der Niederländer sich nach allen Kräften wehrt und zappelt, Jakub stürzt ihn bilderbuchmäßig über. So wunderschön wie der Holländer da fliegt, man kann nur staunen und jubeln. Nicht nur einmal, gleich zweimal stürzt er ihn über, das sind auf die Schnelle 10 Punkte. Das bedeutet die technische Überlegenheit mit 21:4! Wow, was für eine Show!Und die Show geht sogleich weiter, in dem 80 Kilo Kampf mit Ben Haeffner für Krefeld gegen Muhammad Abdurachmanov. Auf die Kämpfe mit dem jungen Krefelder freue ich mich schon immer besonders, denn er hat eine spektakuläre Art zu kämpfen und unglaublich erfolgreich ist er dazu.Der Kampf läuft erst Mal spannend, der Krefelder wirkt zu Anfang noch nicht drückend überlegen. Mehrere Beinangriffe werden zäh ausgekämpft, wie verknotete menschliche Knäuel liegen die beiden auf der Matte, der Kampfrichter muss die Glieder wieder entwirren. Aber Haeffner behält bei diesen unübersichtlichen Aktion stets die Überhand, irgendwie schafft er es immer wieder, zum Hintermann zu werden. In der zweiten Minute gelingt es dem Krefelder, seinen Gegner in die Beinschraube zu zwingen. Jetzt kommt es für den Niederländer knüppeldick: Haeffner schraubt seinen Gegner und dreht ihn ganz schwindelig. Im Sekundentakt fallen nun die Zweierwertungen. Jede Drehung wird vom Publikum rasend bejubelt. Es kommt Partystimmung auf, klar, das mögen die Zuschauer, das wollen sie sehen. Fünfmal in Folge demütigt Haeffner seinen Gegner, noch vor der Pause gewinnt er mit der technischen Überlegenheit! Es steht jetzt 22:12 für Krefeld, das ist schon zwei Kämpfe vor dem Ende fast der Sieg der Krefelder, es ist jetzt rein rechnerisch nur noch ein Unentschieden drin für Landgraaf.Doch Philipp Haeffner mach die letzten zarten Hoffnungen für die Holländer schnell zunichte, er kann in der spektakulären Haeffner – Manier seinen Gegner Georgi Antoanov Zhizgov bei Beinabwehren in die gefährliche Lage befördern. 8:0 steht es schon in der ersten Minute für Philipp, es riecht förmlich nach der technischen Überlegenheit. Doch sein Gegner ist stärker als erwartet, er kämpft sich noch bis auf 8:3 heran. Egal, es reicht nicht mehr zum Sieg für ihn, Philipp gewinnt verdient nach Punkten. Es steht jetzt 24:12 für Krefeld, der Sieg ist Krefeld somit schon sicher.Daher ist der folgende 75 Kilo Griechische Römisch Kampf zwischen Nikolai van Berkum und Scott Geelen nicht mehr erheblich für den Gewinn des Mannschaftskampfes. Aber es ist das Sahnehäubchen, was uns der Neu-Krefelder hier präsentiert. In der ersten Minute muss Geelen wegen Passivität auf den Boden. Und nun freuen wir uns schon auf das, was kommen mag. Denn wir wissen, im Bodenkampf ist van Berkum eine Koryphäe. Jetzt tut mir der Landgraafer schon ein wenig leid, denn Nikolai hebt ihn aus und lässt ihn fliegen. Und das nicht nur einmal, gleich dreimal erteilt van Berkum die Fluglektion. Das gefällt den Zuschauern, die Leute kreischen vor Freude. Wie gesagt, es ist schon fast gemein. Doch wann kann man schon mal seine Schadenfreude so ungehemmt rauslassen? Man ist ein Fan, das ist kein Kindergeburtstag hier, also darf man ein wenig unmenschlich sein. Nach anderthalb Minuten ist die Demütigung vorbei, der Krefelder hat die technische Überlegenheit in der Tasche. Aber er will noch mehr, der Kampfrichter hat noch nicht abgepfiffen, die Aktion ist noch nicht beendet. Will er ihn etwa noch schultern, ist es der Demütigung noch nicht genug? Nein, ist es nicht, van Berkum ist ein Kannibale, er will noch das Pünktchen mehr, das ein Schultersieg einbringt. Und wir, das Publikum, sind auch kein Deut humaner und wollen es jetzt auch: Schulter, Schulter, schreien wir wie irre, wie bei den guten alten Gladiatorenkämpfen. Und dann ist es geschehen, Schultersieg! Was für eine geile Party an diesem Abend, damit sind die Krefelder weiterhin die einzig ungeschlagene Mannschaft in der Liga.Und wenn die Krefelder in der nächsten Woche gegen Aachen Walheim weiterhin so stark stehen, dürfte der Herbstmeisterschaft wohl nichts im Wege stehen.Wer hätte im Vorfeld gedacht, das es für Krefeld so gut läuft?