Krefeld gewinnt Ringkampf auf der Autobahn!

23.10.2021 Germania Krefeld gewinnt knapp 14:20 gegen Neuss II

von Alex Jodas

Ein Sieg, der deutlicher aussieht als er war: Bis zum letzten Kampf stand es 14:18, da war also für die Neusser noch was drin, doch der Krefelder Nikolai van Berkum machte in einem fulminanten Sieg den Sack zu für Krefeld. Doch dazu später.Im Vorfeld der der Oberligabegegnung fing der Krimi schon an: Unser Halbschwergewichtsass Suleiman Alikhanov rief ungefähr eine Stunde vor der Waage den Trainer an, dass er irgendwo im Ruhrgebiet im Stau stecken würde. Und das sein Navi ihm sagt, das er nicht mehr rechtzeitig eintreffen könne. Obwohl ich mich schon die ganze Woche auf den Mannschaftskampf freue, meine Laune ist jetzt spätestens dahin. Jetzt beginnt das warten und Fingernägelknabbern, wird es Suleiman noch schaffen?Doch alles wird gut, der Autobahngott ist Krefeld heute dann doch noch gut gesonnen, Suleiman Alikhanov kommt rechtzeitig ein paar Minuten vor der Waage.Der gesamte Ringer-Adel heute ist angereist, um sich die Kämpfe anzuschauen. Auch unsere Edelfan-Freunde aus Hückelhoven sind anwesend. Der Verein Konkordia Neuss ist ein kleines Überraschungsei. Man weiß bei ihnen nie im Vorfeld , was drinsteckt. Weil sie einen riesigen Kader und zwei Mannschaften haben, können sie unglaublich viel variieren. Und schau an, die Neusser Reserve ist heute ausgezeichnet aufgestellt. Besonders in den Klassen, wo Krefeld stark steht, sind auch sie herausragend. Für Krefeld fehlen heute gleich drei Stammringer, Tim Stoll in 86 Kilo ist verhindert, Nigel Weber im Schwergewicht und Jakub Marchlewski in der 75 Kilo-Klasse sind heute krank. Doch der Trainer Eric van Berkum hat seine Mannschaft raffiniert umgestellt. Und nun zu den einzelnen Kämpfen. In der 57 Kiloklasse wird der sympathische Abakar Mekhtiev noch in der ersten Minute von Rashid Evloev geschultert. Der erst 14 jährige Krefelder muss noch Lehrgeld zahlen. Seine Zeit wir wohl bald noch kommen, dessen bin ich mir gewiss.Im Superschwergewicht steht heute für Krefeld Suleiman Alikhanov in dem für ihn ungewohnten Griechisch Römisch Stil auf der Matte. Er muss gegen Richard Mahn antreten. Ein voller Schwergewichtler, er wiegt saftige 117 Kilo, Suleiman ist 16 Kilo leichter. Das ist so eine Überraschungsei–Verblüffung, woher haben die Neusser den nur gezaubert, den Mann hatte ich bisher noch nirgendwo bei Neuss gesehen, weder in der ersten noch in der zweiten Mannschaft. Man merkt, Suleiman hat nicht viel Griechisch Römisch Erfahrung aber er macht seinen Job dennoch gut, er lässt seinen Gegner passiv aussehen. So erhält der Krefelder einen Punkt, der Neusser muss auf den Boden. Hier schafft Alikhanov aber nicht, Mahn durchzudrehen. Er liegt stabil wie angewachsen auf den Boden, er macht gar keine Anstalten, sich drehen zu lassen. In der zweiten Halbzeit muss Suleiman auf den Boden. Der Neusser schafft es tatsächlich, Suleiman durchzudrehen. Aber nicht nur einmal, gleich mehrfach dreht er ihn durch. Oh weh, droht unser Mann jetzt unter die Räder zu kommen?Jetzt höre ich, wie aus der Ecke der sogenannten Hückelhoven-Freunde tatsächlich der Mann von Neuss angefeuert wird. Das geht ja gar nicht, wollen sie etwa nicht mehr unsere Freunde bleiben? Streng muss ich die Fehlgeleiteten ermahnen. Schlagartig wird es still bei ihnen, sie haben wohl gemerkt, das sie über die Stränge geschlagen haben. Kann ja mal passieren. Nach dem dritten Durchdreher ist zum Glück Schluss. Es steht 1:7 für den Neusser und das bleibt auch das Endergebnis.Das sieht nicht gut aus für die Krefelder Mannschaft, es steht jetzt 7:0 für Neuss, werden wir das noch aufholen können? Zum Glück haben die Neusser die Frauenklasse nicht besetzt, Lina Sue Odendahl wird zum dritten Mal kampflos Siegerin.In der 61 Kilo Klasse macht es Abdul-Malik Magomadov für Krefeld heute schnell. Er schultert seinen Gegner Abdulkhaev Îsmatullo nach einem blitzsauberen Armdrehgriff. Der Neusser zappelt und windet sich gefühlt unendlich lange zwanzig Sekunden in den Armen von Abdul-Malik. Doch der Krefelder ist heute erbarmungslos und lässt seinen Gegner keine Chance! Jetzt kommt Stimmung auf bei den Krefeldern, für die viele Fans mit angereist sind. Abdul-Malik Magomadov macht sich dabei selber sein schönstes Geburtstagsgeschenk. Gratulation Malik und danke für diese fünf Punkte, die waren heute entscheidend für den Sieg!In der 98 Kilo Freistil Klasse sehen wir Jan Krempin für Neuss gegen Jure Cubelic. Jure ist heute eingesprungen, weil der eigentliche 98 Kilo-Mann Suleiman Alikhanov eine Klasse hoch gerückt ist. Jure ist Griechisch Römisch Spezialist, kann aber auch ganz gut Freistil. Jure ist hochmotiviert. Wie ein Raubtier, dem man wochenlang nichts zu fressen gegeben hat. Denn dem Krefelder hatte man bisher noch keine Möglichkeit gegeben, ins Kampfgeschehen einzuschreiten. So beginnt er gleich ganz spektakulär mit dem Eichhörnchensprung. Ui, was hat er da nur vor, er will aber hoch hinaus. Will er seinen Gegner etwa überspringen? Wenn das mal nicht in die Hose geht! Geht es nicht aber es bringt auch keine Punkte. Jure beginnt hektisch, er wirkt nervös. Aber dann besinnt er sich seiner Klasse und macht das, was ein Freistiler zu tun hat: Er greift das Bein von Krempin. Der versucht, sich raus zu flüchten. Jure aber angelt ihn sich zurück und macht zwei Punkte. Beide auf der Matte sind hier Griechisch Römisch Spezialisten, man sieht es, Krempin will nur oben kämpfen, Jure ist flexibler und taucht auch an die Beine ab. Er erwischt beide Schenkel. Aber statt die Beine zu halten rutscht er mit seinen Griff bis an die Hüften hoch. Er ist halt ein Griechisch Römisch Kämpfer, dort oben fühlt er sich wohl. Dennoch wirft er den Neusser auf den Rücken. Vier fette Punkte gibt das.In der zweiten Halbzeit geht es von Jure Seite dominant weiter. Er kann seinen Gegner sogar mit den Beinen komplett ausheben. Aber statt ihn einfach auf den Rücken zu knallen fällt Jure nach hinten runter, als ob er einen Überstürzer ziehen wollte. Das sind eben die Griechisch Römisch Reflexe, die gehen so leicht nicht raus. Es sieht kurzzeitig riskant aus für Cubelic, als ob er in die gefährliche Lage geraten würde. Tut er aber nicht, er erhält zwei Punkte. Und gleich darauf dreht er Krempin wie ein Profi mit den Beinen durch: Es steht nun 0:16, das ist die technische Überlegenheit! Wir Krefelder haben wieder was zu jubeln, denn sie führen jetzt mit 7:11.In der 66 Kilo Klasse tut sich Mert-Fatih Simsek gegen Vladimir Mass schwer. Er kann 2:7 nach Punkten gewinnen. Ich hatte aber den Eindruck, hier wäre mehr drin gewesen.In der 86 Kilo Klasse gibt der Krefelder Muammed Zakir Tan seinen Kampf verletzungsbedingt gegen den Bundesliga erfahrenen Deni Nakaev in der zweiten Minute auf. Jetzt führt Krefeld 12:13 knapp mit einem Punkt, man sieht schon, das es eine enge Kiste heute wird. Die schweren Kämpfe stehen Krefeld aber noch bevor. Wird das für Krefeld reichen?Die 71 Kilo Klasse aber ist eine klare Sache für Krefeld. Amer Bolakhrif macht auf der Matte schnell klar,wer der Herr gegen Jonas Beck ist. Dabei ist Bolakhrif heute „nur“ der Ersatzmann für Jakub Marchlewski. Hier hat Krefeld ein Luxusproblem, zwei fast gleichstarke Kämpfer können sie in der Gewichtsklasse aufstellen. Einen wunderschönen Kampf bietet uns Amer heute. Er macht mit seinem Gegner was er will, der jugendliche Beck kann einem schon fast leid tun. In der zweiten Minute zwingt der Krefelder Beck nach einem Kopfpressgriff auf den Rücken. Hier hat er die Möglichkeit, ihn zu schultern. Das ist sehr wichtig für uns, denn ein Schultersieg gibt einen Punkt mehr als die technische Überlegenheit. Wir Krefelder feuern unseren Mann an, was die Stimmbänder hergeben. Sogar die Hückelhofener Freunde schreien mit. Doch leider reicht es nicht, Beck kann sich raus winden.Bei dem Stand von 0:12 für Bolakhrif zieht der Krefelder einen astreinen Armdrehgriff: Jetzt hat er die technische Überlegenheit in der Tasche. Doch ich will jetzt noch mehr, Amer müsste jetzt seinen Gegner festhalten und schultern, diese Möglichkeit bestünde noch. Der Kampfrichter darf erst abpfeifen, wenn die Aktion beendet wird. Doch Amer ist mit der technischen Überlegenheit zufrieden, er ist menschlich und lässt seinen Gegner los.Nanana, Amer, wenn dieser Punkt letztendlich für das Ergebnis der Mannschaft noch entscheidend sein sollte, dann werde ich ihm das noch ordentlich aufs Brot schmieren. Auch wenn er noch so toll gerungen hatte! Doch dazu muss es zum Glück nicht kommen. Es steht jetzt 12:17 für Krefeld, das sieht auf den ersten Blick komfortabel aus, ist es aber noch lange nicht, denn die Hammergegner kommen erst noch.In der 80 Kiloklasse sehen wir einen ganz hochwertigen Kampf. Ben Haeffner für Krefeld hat mit Mikalai Savenkaden den stärksten Kämpfer der Liga vor sich, er ist Meister in Weißrußland und hat in der Oberliga seit Jahren nicht verloren. Doch Haeffner ist in blendender Form, wer wird hier gewinnen?Savenkaden merkt, dass es ein schwerer Kampf für ihn wird. So wird er unsportlich und schubst Haeffner nach außen bei einem Gerangel am Mattenrand. Ben landet fast auf dem Schoß der Neusser Zuschauer. Es ist ein Kampf auf Augenhöhe, man findet die beiden häufig verknotet ineinander wieder. Man kann kaum erkennen, vom wem welche Beine und Arme sind.Doch spielt der Weißrusse letztendlich seine Erfahrung aus und kann Haeffner 10:7 knapp nach Punkten bezwingen. Der Punktestand der Mannschaft ist nun 14:17, die Neusser rücken heran. In der 75 Kilo Klasse Freistil haben die Neusser mit Daga Kuratschev auch ein ganz starken Kämpfer. Philipp Haeffner hat heute vom Trainer Eric van Berkum die Anweisung bekommen, auf keinen Fall seinen üblichen Angriffsstil zu kämpfen. Denn Kuratschev ist ein begnadeter Abwehrspezialist. Haeffner hält sich an die Anordnung, ich erkenne seinen Kampfstil gar nicht mehr wieder. Dieser Kampf ist eine ganz knappe Geschichte, bei einem Angriff von dem Neusser kommt es zu einem unübersichtlichen Gerangel. Doch Haeffner behält die Oberhand und kann zwei Punkte erringen. Im restlichen Kampf fallen dann kaum weitere Wertungen, nur bei einer Aktion wird Philipp raus gedrängt. Der Krefelder kann den Kampf hauchdünn mit 1:2 für sich entscheiden, eine enorme Leitung gegen eine solch starken Spitzenringer.Es steht jetzt 14:18 für Krefeld, Neuss hat immer noch die Chance zu gewinnen, mit einem Schultersieg würden sie es schaffen, bei einer technischen Überlegenheit würden sie ein Unentschieden erzielen.Anfangs sieht es auch schlecht aus für Nikolai van Berkum für Krefeld, denn Olimjon Kholikov zieht einen staubtrockenen Kopfhüftzug. Wie aus dem nichts kommt er der Griff, Nikolai liegt auf dem Boden. Hier will der Neusser den Krefelder werfen, doch den Gefallen tut Nikolai ihm nicht, er windet sich raus wie ein aalglatter Fisch und landet auf dem Bauch. Puh, das ging ja nochmal gut. Doch wird er die 6 Minuten überstehen können? Wenn er wenigstens nach Punkten verlieren würde, würde uns das schon reichen.Wir schreien wie wie die Brüllaffen „Rot passiv“, damit der Neusser auf den Boden geschickt wird.Wir tun so, als wären wir aufrichtig empört über diese angebliche Passivität. Unser Geschreie zeigt Erfolg, Niolai erhält einen Punkt und Rot muss auf den Boden. Hier zeigt der Krefelder, dass er nicht die Absicht hat, zu verlieren: Er hebt Kholikov aus und stürzt ihn über. Kopfüber prallt der Neusser auf den Boden, es sieht schon Halsbrecherisch aus, wie er da landet. Vier Punkte gibt das für den Krefelder, wir schreien unsere Freude in die Neusser Ohren. Und dieses mal schreit auch Hückelhofen mit. Na bitte, es geht doch, so können wir Freunde bleiben. Aber Nikolai ist noch nicht fertig mit seinem Gegner, er hebt ihn gleich nochmals aus. Kholikov hat keine Lust, nochmals so zu fliegen, deswegen behindert er mit seinem Bein. Das ist verboten, das gibt weitere zwei Punkte für van Berkum. Er führt jetzt 2:7, kann da noch was anbrennen? Auch wenn der Neusser noch zwei Pünktchen holt, van Berkum gewinnt seinen Kampf letztendlich 4:7! Das war wohl die stärkste Leistung des Tages. Wir liegen uns in den Armen vor Freude, das war im Endeffekt doch nicht so knapp, wie wir befürchtet hatten.Auch der Vater, Eric van Berkum, hatte heute seinen schweren Kampf gewonnen. Den strategischen Kampf bei der Aufstellung der Mannschaft. Hier hatte er äußerst geschickt taktiert.Man darf jetzt gerne mal nach drei Kampftagen auf die Tabelle schielen: Krefeld steht ungeschlagen auf dem ersten Platz, ja wie schön sieht das denn aus, solch einen Tabellenplatz hat Krefeld seit einem Jahrzehnt nicht mehr erzielt!Wir dürfen gespannt sein auf dem Heimkampf nächste Woche am 30.10.21 gegen Landgraaf. Hier treten die beiden ungeschlagenen Spitzenreiter aufeinander. Dieser Kampf wird wohl entscheiden, wer als Herbstmeister die Hinrunde beendet.