Krefeld gewinnt gegen Walheim um Haaresbreite 18:17

von Alex Jodas11.12.2021:

Krefeld gewinnt schon wieder hauchdünn mit einem läppischen Pünktchen. Irgendwie kann Krefeld nicht anders, gegen den vorletzten Neuss nun auch gegen den vierten der Tabelle. Oder bei dem Hinkampf gegen Walheim oder gegen Essen: Immer war es ein Vergleich mit einem Punkt Unterschied, immer gerade so gewonnen. Das ist super spannend, das ist ein Gewinn fürs Publikum. Auch wenn es gestern um nichts mehr ging, Krefeld würde zweiter bleiben in der Tabelle und Walheim würde bei einem Sieg am gestrigen Abend nicht an Landgraaf vorbeiziehen können. Aber egal, gestern hatte jeder in beiden Mannschaften immer alles gegeben, als wenn es um die Weltmeisterschaften ging.Heute ist Aline Focken-Rotter anwesend. Sie ist bürgernah wie immer, sie begrüßt mich und schüttelt mir die sogar Hand. Sie geht ans Mikro, sie hält eine Rede, gewohnt professionell wie immer. Sie wäre zum ersten Mal in Krefeld bei einem Mannschaftskampf in diesem Jahr. Nicht, weil sie kein Interesse an ihrem Heimatverein hätte, betont sie, sondern weil sie nach ihrem Goldmedaillengewinn von einem Termin zum anderen hetzen musste. Sie hat Geschenke mitgebracht für Krefeld: Eine nachgeprägte Goldmedaille für ihren Vater, ein rotes Rigertrikot von sich, eingefasst in einem Bilderrahmen. Und das letzte Geschenk ist das tollste, jetzt fangen alle an zu jubeln: Sie spendiert Freibier für alle. Ja, ist denn heute schon Weihnachten, ist der Weihnachtsmann in Wirklichkeit eine blonde hübsche Frau?Komischerweise erwähnt sie bei dem Freibier meinen Namen: Ich möge sie doch bitte nicht arm trinken! Aber immerhin lacht sie dabei. Na na, Aline Focken, was hat sie nur für ein Eindruck von mir? Ich bin doch ein nüchterner und objektiver Beobachter der Mannschaftskämpfe. Hier muss wohl ein Missverständnis vorliegen! So, nun zu den Kämpfen: Im ersten Kampf im Leichtgewicht 57 Kilo wurde zum zweiten Mal der 14 Jährige Leyan Can Colak für Krefeld eingesetzt. Der Kampf ist schon beim ersten Hinsehen ein ungleiches Spiel, sein erwachsener Gegner Atiquallah Goldad ist fünf Kilo schwerer, was bei dieser Gewichtsklasse Welten sind. Aber Colak versteckt sich aber nicht, er zieht frech Griffe, wo er nur kann. Wird aber abgefangen und übertragen. Leyan Can Colak wehrt sich tapfer, aber im Gegensatz zum Hinkampf, wo er im Freistil noch gewinnen konnte, verliert er heute nach Punkten 6:16. Das sind drei Mannschaftspunkte für Walheim, immerhin, Leyan hat zwei Punkte für Krefeld gerettet, das kann noch wichtig werden, denn wir wissen, es wird heute knapp. Knapp geht es auch im Schwergewicht zu, Suleiman Alikhanov hat mit Martin Otto ein ganz zähen Hund als Gegner. Man sieht ein Kampf auf Augenhöhe, beide belauern sich und können nicht angreifen, weil beide nichts zulassen. So passiert während der sechs Minuten nicht viel. Außer das die beiden müder werden und anfangen, zu schwitzen. Der Kampfrichter verteilt zweimal Passivitätspunkte gegen den Krefelder, was meines Erachtens nach nicht fair ist, denn beide Parteien sind gleich passiv. In der letzten Minute, Otto führt wie gesagt, mit zwei Punkten, fasst sich Suleiman endlich ein Herz und wagt einen Doppelbeinangriff. Der Walheimer wehrt ab, doch der Beinangriff kommt mit letzter Kraft durch.Und zwar im allerletzten Augenblick, Punktlandung, genau vor dem Schlussgong in der sechsten Minute fällt die Wertung! Die Halle steht jetzt Kopf, denn es steht zwar 2:2 Unentschieden, aber die letzte Wertung entscheidet für den Sieg.In der 61 Kilo Klasse geht es gut für Mert-Fatih Simsek weiter. Der junge Krefelder hat sich inzwischen zur Bank für die Mannschaft gemausert. Bei ihm kann man davon ausgehen, das er sichere Punkte für Krefeld erkämpft oder gegebenfalls hohe Niederlagen abwehrt. Gegen Said Mehdi Asadi lässt er von Anfang an keine Zweifel aufkommen, wer hier die Hosen anhat auf der Matte. Bei blitzschnellen Beinangriffen wird er Hintermann. In der Bodenlage wird er dann sogar rabiat: Er schnürt seinen Gegner zum Paket und wendet ihn vorne über wie ein Pfannkuchen: Das sind jeweils vier Punkte und der laute Jubel ertönt von den Fans! Zudem landet Asadi bei dieser Aktion auf dem Rücken, er droht jedes mal, geschultert zu werden bei dieser Aktion. Das gefällt den Leuten, sie wollen mehr und feuern an. Und weil es so gut läuft, füttert Mert das Publikum mit weiteren Punkten, die nicht genug davon bekommen können. In der vierten Minute ist Schluss mit dem Spaß: Mert gewinnt technisch überlegen! Krefeld führt an diesen Abend zum ersten Mal mit 5:3.In dem Frauenkampf sehen wir für Walheim die amtierende Vizeweltmeisterin Nina Hemmer. Hier ist klar, unsere junge Kämpferin Lina Sue Odendahl wird keine Chance haben gegen ihre übermächtige Gegnerin. Und Nina erkämpft auch schnell die Hintermann Position. Sie will es kurz machen und ihre Gegnerin schultern und auf den Rücken wenden. Doch Lina ist gelenkig wie ein Gummiball, sie macht eine lupenreine runde Brücke. Und ´dabei überträgt sie die Vizeweltmeisterin. Die sich jetzt ihrerseits in der gefährlichen Lage wiederfindet. Das ist frech, das ist respektlos, das ist Majestätsbeleidigung! Wie geil ist das denn, sie könnte jetzt Nina Hemmer sogar schultern. Aber Nina überträgt ihre Gegnerin nun ebenfalls. Doch Lina ist weiter hellwach und überträgt ihre Gegnerin zurück. Lina führt nun sogar kurzzeitig 4:3 gegen die zweitbeste dieser Welt, was für eine Sensation. Und hält sie auch noch zum zweiten Male kurz in der gefährlichen Lage. Doch nun ist es Hemmer leid, sie macht ernst und überträgt ihre junge Gegnerin und schafft es dieses Mal, sie auf der Schulter zu fixieren. Bei den Männern geht es mit 98 Kilo weiter. Jure Cubelic für Krefeld hat mit Vitali Stotskii eine ganz harte Nuss zu knacken. Der Walheimer Kämpfer, bei dessen Aussprache seines Namens man als Deutscher verzweifeln muss, hatte im Hinkampf Nigel Weber deutlich deklassieren können. Obwohl Stotskii fast 35 Kilo leichter war. Wir waren also gewarnt.Jure macht heute seinen Job aber sehr gut. Er versucht aus dem Zwiegriff heraus, einen Kopfhüftzug zu ziehen. Der Griff ist abgerutscht. Doch der Kampfrichter erteilt zwei Punkte für den Walheimer. In der roten Zone ist das OK, doch auch in der Mattenmitte erteilt er Stotskii auch zwei Punkte, obwohl der Griff eindeutig wieder abgerutscht ist! Der Kampfrichter hat heute keinen guten Tag erwischt, er pfeift meines objektiven Erachtens nach, ziemlich blaulastig.Ansonsten kann der Walheimer bei Jure keinen Griff anwenden, der Krefelder verkauft sich gut und teuer. Am Boden dreht er Jure einmal durch. Das war es dann schon, was man in diesem Kampf erwähnen kann, er geht mit einer 0:9 Punkteniederlage noch recht glimpflich für Krefeld aus, hier hatte ich schlimmeres befürchtet. Jetzt führen die Walheimer wieder mit 7:8, sie sehen selbst, was für ein enges Ding das heute wird. In der 66 Kiloklasse steht heute Abdul-Malik Magomadov für Krefeld gegen Sean Ullrich auf der Matte. Am Mattenrand versucht Malik seinen Gegner raus zu schieben. Doch der Walheimer nutzt den Druck des Gegners und zieht einen Armdrehgriff. Doch ansonsten ist Malik Dominant in diesem Kampf, in der Bodenlage kann er seinen Gegner ausheben und werfen. In der ersten Halbzeit führt er schon 12:4, es riecht nach einer technischen Überlegenheit. Doch der Geruch täuscht, in der zweiten Halbzeit bricht Malik ein, und der Walheimer kann Punkt um Punkt aufholen, wir müssen gar um den Sieg unseres Mannes bangen. Doch es geht noch alles gut, letztendlich kann Malik einen ordentlichen 15:12 Sieg einfahren. Die Krefelder liegen nun wieder mit einem Punkt bei 9:8 vorne. Auf die 86 Kiloklasse bin ich schon gespannt wie ein Flizebogen. Hier trifft unser spektakulärer Mittelgewichtsringer ben Haeffner, der durch seine sensationelle Angriffe und atemberaubende Verteidigungen das Publikum verzückt auf Marco Kreutz. Der Walheimer ist einen ganz unangenehmen Gegner, der durch seine unkonventionelle Kampfweise seine Kontrahenten zur Verzweiflung bringt. So hatte er unseren starken Alexander Wagner nach einem hohem Rückstand mit Beinschrauben noch technisch Überlegen besiegen können. Auch im Griechisch Römischen Stil kann er sehr ungemütlich werden, im Hinkampf hatte er mit einem einfachen Hammerlock Tim Stoll geschultert.Bis zur zweiten Minute läuft es schlecht für Ben, er greift die Beine von Kreuz, der Walheimer kontert nur. Doch das macht er sehr gut, er führt 0:6. Doch wer Ben Haeffner kennt, der weiß, dass er nie aufsteckt und jederzeit Kräfte mobilisieren kann. Und das tut er auch hier, er holt bei weiteren Angriffen eine „zwei“, dann sogar kann er Kreuz bei einem Doppelbeinangriff ausheben und auf den Rücken werfen. Der Walheimer liegt kurz auf der Schulter, kann sich aber glücklich in die Zone retten. Bis zur dritten Minute zieht Ben mit 12:6 dem Walheimer scheinbar uneinholbar davon. Doch Ben hat Körner gelassen bei diesem kraftverzehrenden Hin und Her. Am Boden dann zieht Kreuz bei Haeffner den berüchtigten Hammerlock. Er schafft es sogar, den Krefelder auf den Rücken zu drehen, verdammt, ist das eine Wiederholung vom Hinkampf, als er so Stoll schultern konnte? Doch Haeffner ist sehr gelenkig und kann sich raus drehen, wobei sein Arm fast ausgekugelt wird, o weh, da bekommt man beim hinschauen allein schon Schmerzen.Es ist der spannendste Kampf des Abends, es ist ein Kampf mit offenen Schlagabtausch, die Punkte rattern auf beiden Seiten nur so dahin. Und Kreuz kann aufholen, kurz vor Schluss führt er mit einem Punkt. In den letzten Sekunde setzt Haeffner alles auf eine Karte und riskiert ein Beinangriff. Kreuz kontert, beide bekommen in der allerletzten Sekunde zwei Punkte für ihre Aktionen, die Halle kocht! Leider verliert Haeffner in diesem furiosen Kampf 16:17 denkbar knapp nach Punkten.Es steht jetzt 9:9 unentschieden für die Mannschaften, was ist das nur wieder für ein spannender Kampfverlauf!Der Krefelder Jakub Marchlewski lässt die Fans erst mal ein wenig durchschnaufen. Auch wenn er gegen Seyedhamidreza Banihashemi anfangs noch 0:1 zurückliegt, kann er einen sicheren Kampf präsentieren. Als Jakub in der vierten Minute Hintermann wird, kann er mit Griechisch Römisch seinen Gegner bezwingen, obwohl hier Freistil gefordert ist: Er dreht ihn gleich mehrfach durch. Das Publikum jauchzt vor Freude, das will man sehen, das gibt Punkte. Denn das Publikum kann live miterleben, wie Jakub zur technischen Überlegenheit dreht, er ist kaum mehr abzustellen bei seinen Rotationen! Jetzt führt Krefeld mal wieder mit 13: 9. Doch diesen Vorsprung verlieren sie sogleich auch wieder im folgenden 80 Kilo Kampf. Hier kämpft Tim Stoll für Krefeld gegen Maximilian Otto die erste Halbzeit noch ganz passabel. Doch in der zweiten Halbzeit bricht Tim ein, er gibt Punkt um Punkt ab, man hat den Eindruck, er gibt sich auf, ich kenne ihn so gar nicht. Denn Tim Stoll ist normalerweise ein Kämpfer, der das letzte aus sich rausholt. Doch heute ist er wie ausgewechselt, ich habe fast den Eindruck, er ist krank, bei so einen schlappen Eindruck, den er hier hinterlässt. Hat er zu viel abtrainieren müssen? Er verliert den Kampf technisch unterlegen, so steht es wieder 13:13 unentschieden für die Mannschaft, es ist das erwartete Kopf an Kopf Rennen, das wir heute hier sehen. Jetzt kommt es auf die letzten beiden 75 Kilo Kämpfe an, die noch folgen, und hier wird es auch eng bleiben, wissen wir aus der Erfahrung der Hinrunde.Im Griechisch Römisch tritt Nikolai van Berkum gegen Michael Otto an, dem dritten der Otto Dynastie aus der Walheimer Mannschaft. Wir erwarten einen Sieg von unserem Mann, schließlich ist er bisher unbesiegt und mit Abstand der stärkste Kämpfer der Krefelder. Und er hat bewiesen, das er Nerven aus Stahl besitzt. Auch heute wieder lässt er sich nicht beirren und marschiert und lässt seinen Gegner passiv aussehen. Folgerichtig muss Otto wegen Passivität auf den Boden. Da haben die Gegner schon Angst davor, denn sie wissen, was ihnen gegen van Berkum blüht. Ausgehoben werden sie und geworfen, da kann man bei van Berkum machen, was man will, das hat er raus, da ist er wie eine Wurfmaschine, wie ein Katapult aus der alten Ritterzeit. So ist es Otto nicht zu verdenken, dass er klammheimlich die Beine von van Berkum blockiert, um sich dieser Demütigung zu entziehen, als er ihn aushebt. Doch das sieht der Kampfrichter, er verwarnt Otto einmal und es gibt zwei Punkte. Es geht weiter in der Bodenlage. Hier wiederholt sich der Vorgang aufs gleiche, Nikolai hebt seinen Gegner schulmäßig aus, kann jetzt einen schönen Wurf ansetzten. Das Publikum steht schon bereit in Vorfreude dessen, was jetzt kommen wird. Denn gleich wird hier ein Walheimer hoch durch die Luft segeln. Doch es segelt hier keiner, denn Otto greift in seiner Verzweiflung wieder ein Bein! Nana, so geht das aber nicht, das macht man aber nicht. Das sieht der Kampfrichter auch so und gibt die zweite Verwarnung. Das bedeutet die Disqualifikation für Otto. Jetzt schreien die Krefelder die angestaute Spannung aus ihren Lungen, das es nur so in den Ohren klingelt. Ich bis schon ganz heiser, kann kaum mehr brüllen, meine Stimmbänder versagen, egal, am kommenden vierten Advent gibt es sowieso nicht viel zu reden, da werden Plätzchen gegessen und Weihnachtsmärchen geschaut. Was benötige ich morgen meine Stimme, ich muss jetzt schreien, auch wenn nur ein jämmerliches Krächzen übrig bleibt.Denn Krefeld führt jetzt 18:13 vor dem letzten Kampf, die Walheimer können nicht mehr gewinnen, nur noch ein Unentschieden können sie rechnerisch erzielen.Bei dem letzten Kampf hat Philipp Haeffner für Krefeld mit Ibragim Veliyevden einer der stärksten Gegner der Liga. Philipp hat diese Saison Pech, das seine Gewichtsklasse so unglaublich stark besetzt ist, ich denke, hier tummeln sich die besten Kämpfer der Liga.In der ersten Halbzeit hält sich Philipp noch gut, auch in der zweiten Halbzeit kann er zweimal jeweils einen Punkt erkämpfen, was jedes mal frenetisch gefeiert wird. Denn Veliyevden ist ansonsten in jeder Lage überlegen. Und in der sechsten Minute ist der Krefelder technisch unterlegen. Das ist aber egal, die Krefelder feiern ihren Sieg der Mannschaft. Dieses knappe Ergebnis dokumentiert ein weiteres Mal, wie spannend und eng es in der Oberliga dieses Jahr zuging. Den Kampfabschluss wird mit einem Buffet gefeiert, die Walheimer sind noch geblieben und feiern mit und trinken Bier auf Kosten von Aline Focken. Es ist ein nettes Beisammensein, die Aachener sind sympathische Sportler, auch der so hart wirkende Schwergewichtsringer Martin Otto ist ein ganz lieber Kerl. Bei Salat und Bier unterhalten wir uns ganz gesittet, so wie kultivierte Menschen zu plaudern pflegen. Dabei erfahre ich, dass er vor kurzem Vater geworden ist: Gratulation, lieber Martin Otto zum Nachwuchs. Und bis zu nächsten Saison, wenn es nur Corona zulässt. Das war der letzte Kampf dieser Saison für Krefeld, damit beenden sie die bisher erfolgreichste Saison seit einem Jahrzehnt. Dieses war im Vorfeld überhaupt nicht erwartet worden, zumal die Mannschaft vor der Corona Pause noch als Punchingball der Liga durchgereicht wurde.