Klare Sache in Neuss

Neuss II gegen Germania Krefeld 10:32

Nach wochenlanger Pause und einer mutmaßlicher Niederlage gegen die bärenstarken Walheimer Ringer Mannschaft kommt nun der Befreiungsschlag gegen die Mannschaft der Neusser Reserve. Das war keine Selbstverständlichkeit, denn bei dem Neusser Team konnte man nicht vorausschauen, in welcher Konstellation sie ihre Mannschaft stellen werden. Schließlich können sie ihre Kämpfer nach freiem Ermessen aus der ersten Mannschaft einsetzen, die erst ein paar Kampftage später in Aktion tritt.Genug gelabert, jetzt zu den Kampfergebnissen: Unser 57 Kilo Mann Leyan Can Colak macht heute gegen Alexander Müller alles richtig. Nachdem Leyan im ersten Kampf gegen Walheim noch zu zaghaft vorgegangen war, agiert er gegen Müller wie ein losgelassener Kettenhund. Im Sekundentakt taucht er ab, um sich beliebig an den Beinen zu bedienen. Und das es sich lohnt, ist auf der Anzeigetafel zu sehen. Die Punkte rattern nur so dahin. In der Bodenlage bekommt Leyan die Beine des Neussers überkreuzt zu fassen. Das Publikum fordert lautstark „Beinschraube, Beinschraube“. Und obwohl die Technik eigentlich gar nicht Leyans Griff ist, macht er es. Dem Publikum zuliebe. Er schraubt so eifrig wie ein Trockenbauer. Und die Punkte purzeln lustig weiter! So wundert es nicht, Leyan ist noch in der ersten Halbzeit durch mit seinem Programm. Er gewinnt technisch Überlegen.Nigel Weber macht im Schwergewicht heute einen guten Job, er verliert nur knapp nach Punkten 1:3. Den Kampf des Abends liefert heute Abdul-Malik Magomadov für Krefeld ab. Nachdem er gegen Ahamdi Mohamad Salh nach einer Minute geschleudert wird, findet er sich in der gefährlichen Lage wieder, er wird fast geschultert. Doch er kann sich mit letzter Kraft in die blaue Zone retten. Alles sieht hier nach einer technischen Überlegenheit für den Neusser aus. Das scheint Salh auch so zu sehen, denn er wird gegen den Krefelder unvorsichtig. Er zieht Malik beidseitig auf und will ihn werfen. Er hebt ihn an, jetzt wird er wohl fliegen. Denken wir uns und denkt wohl auch der Neusser. Doch Malik kommt noch gerade so mit einem Fuß auf den Boden. Und das reicht für Malik, der aus der Not eine Tugend macht. Er schleudert nun seinerseits seinen Gegner. Der landet auf dem Rücken. Das Krefelder Publikum fängt an zu kreischen vor Verzückung.Verhängnisvoll ist nun die Lage für den Neusser. Er versucht natürlich sich noch mit allen Kräften, aus der gefährlichen Lage zu retten. Er windet sich noch ewig lange, um die Niederlage abzuwehren. Doch Malik ist inzwischen abgeklärt genug und lässt sich die Chance nicht nehmen: Rotzfrech schultert er ihn! Die in Scharen angereisten Krefelder Fans können es gar nicht fassen, sie springen aus ihren Sitzbänken, schreien ihre Freude in die Halle und fangen an zu tanzen! Ja, so kann es meinetwegen weitergehen.So geht es dann auch. In der 98 Kilo Klasse sehen wir dieses Jahr zum ersten Mal Suleiman Alikhanov für Krefeld gegen Jan Krampin. Der Krefelder ist Überlegen, er dominiert den Kampf. Aber er wirkt nicht frisch. In der fünften Minute steht es 0:6 für Suleiman. Auch wenn er hier die Hosen anhat, man hat den Eindruck, ihm schwinden die Kräfte, er kämpft ein wenig saft- und kraftlos. Denn er hat in seinen Heimatort Bielefeld keinen Trainingspartner. Dann war er auch noch krank. Bricht er jetzt etwa ein? Doch er mobilisiert noch mal seine Kräfte, er zieht einen Hüftzug wie bei einem Judokampf und sichelt seinen Gegner von den Beinen, dass er schnurstracks in die gefährliche Lage fällt. Der Krefelder Zuschauer wird augenblicklich hellwach, gibt das etwa auch noch einen Schultersieg? Ja, wie schön ist das denn, tatsächlich, da ist er, wunderbar und unabwendbar, der ersehnte Schultersieg! Doch die Krefelder Euphorie wird jäh gebremst im folgenden 66 Kilokampf mit Mert-Fatih Simsek. Er kommt gegen den unglaublich starken Abdurashidou Ilyas von Neuss unter die Räder und verliert technisch Unterlegen.In der 86 Kilo Klasse wurde Waldemar Schäfer für Krefeld nach vier Jahren Pause reaktiviert, da Tim Stoll immer noch verletzt ist und Muhamed Tan in einem Formtief steckt. Waldemar verkauft sich gegen Iwan Tagner teuer und verliert nur knapp nach Punkten 7:3. Nicht schlecht, das hält den Schaden in der Gewichtsklasse gering. Da kann eigentlich für das Mannschaftsergebnis nicht mehr viel anbrennen, es steht nun 7:14 für Krefeld und die Neusser stellen keine Frauen in dem Mannschaftskampf, das heißt, Krefeld bekommt automatisch sieben weitere Punkte zugesprochen. Weiter geht es mit Ayoub Bolakhrif für Krefeld gegen Luca Kvaratshhelia in der 71 Kilo Klasse. Der Krefelder wird schon beim Antritt auf der Matte mit frenetischem Szenenapplaus bedacht. Denn für Ayoub ist es der erste Kampf seit vier Jahren, da er verletzungsbedingt den Sport nicht ausüben konnte. Die Frage ist: Kann er es noch? Wie hat ihn die Verletzung zurückgeworfen? Die Frage ist schnell beantwortet. Er kann es noch. Und wie. Als hätte er über die vier Jahre sein Akku nur aufgeladen und als hätte er die vier Jahre Anlauf genommen tritt er hier auf und lässt seinen Gegner nicht die leiseste Spur einer Chance. Sofort wird er mit einem Rumreißer Hintermann. Aus der Bodenlage hebt er ihn auf wie einen nassen Lappen, der nur noch ausgewrungen werden muss. Er stürzt ihn über. Und das gleich zweimal.Doch jedes mal macht Kvaratshhelia Beinarbeit. Das ist verboten. Er wird mit zwei Strafpunkten bedacht, es geht weiter am Boden. Und jetzt kommt Jahrmarkt Stimmung auf. Denn das Publikum weiß, was folgt. Das wollen sie sehen und sie bekommen es: Das Ausheben mit Überstürzer, dieses mal so schön und rund wie aus dem Bilderbuch, denn jetzt traut sich Kvaratshhelia nicht mehr, Beinarbeit zu machen. Das Krefelder Publikum kommt aus dem Kreischen vor Freude kaum mehr raus, es wird letztendlich erst beendet durch die technische Überlegenheit von Ayoub. Das alles spielt sich in nur 36 Sekunden ab, daran kann man ermessen, in welcher Windeseile sich die Ereignisse hier überschlugen. Eine Eindrucksvolle Rückmeldung von Ayoub, der ältere der beiden Bolakhrif Brüdern. Die Liga muss sich warm anziehen bei diesen beiden Leistungsträgern.In der 80 Kilo Klasse hingegen verliert der Krefelder Ben Haeffner gegen Mikalai Savenka 9:0 nach Punkten.Besser macht es heute sein Bruder Philipp Haeffner. Er kann sich gegen Erfan Ghaderipour mit einem 1:6 Punktesieg durchsetzen. Wir sehen hier einen knüppelharten Kampf, bei dem sich der Krefelder letztendlich immer durchsetzen kann. Ganz schnell und schmerzfrei macht es Nikolai van Berkum für Krefeld gegen Vladimir Maas. Noch in der ersten Minuten schultert er seinen Gegner nach einem verkehrten Ausheber mit Überstürzer aus der Bodenlage! Schade fast, das es so schnell geht, man kann es kaum genießen.Das war es für die Krefelder, sie gewinnen heute hochverdient und deutlich.Krefeld steht jetzt auf den zweiten Platz hinter Köln Mülheim in der noch nicht aussagekräftigen Tabelle. Denn Aachen Walheim wird wohl noch zwei Mannschaftskämpfe nachträglich gewinnen, weil es Nachholkämpfe mit ihrer Weltmeisterin Nina Hemmer geben wird. Man kann also jetzt schon erahnen, das sich die Aachener Mannschaft als das wohl stärkste Team der Gruppe Rheinland hervorhebt.Jetzt ist erst Mal wieder zwei Wochen Pause bis zu dem nächsten Heimkampf am ersten Oktober.