Bericht von Alex Jodas zum Kampfabend am 13.9.14

Ein Beitrag von Alex Jodas:
Es ist der 13.9.2014. Wir sind heute in der Steinstraße eingetroffen, um zu feiern. Schließlich ist diese Woche Aline Focken Weltmeisterin im Ringen geworden. Ja, genau, Weltmeisterin. Wenn man es ausgeschrieben sieht, mag man es kaum glauben. Nicht Kreismeisterin, nicht Landesmeisterin oder deutsche Meisterin, nein, sie ist das höchste geworden, was man werden kann: WELTMEISTERIN! Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Auf diesem überbevölkerten Globus mit seinen 4 Milliarden Menschen gibt es keine Frau, die stärker ist als Aline in dieser Sportart. Und sie ist an diesen Abend hier in Krefeld. Frisch zurückgekehrt aus Usbekistan. Müde, zerschunden aber glücklich. Ich bin davon dermaßen überwältigt. Da muss ich meinen Gefühlen Ausdruck verleihen und ihr gratulieren. Ich habe noch nie eine Weltmeisterin beglückwünscht. Wie macht man das? Einfach Hände schütteln? Einfacher gesagt als getan. Wahrscheinlich ist sie schon ganz genervt von den Beglückwünschungen. Da kann ich sie doch nicht auch noch belästigen. Aber ich mache es. Hier beim Ringen geht das.
Sie wird unsterblich sein. Wie Jacob Koch, Ringerweltmeister aus Neuss, nach dem sogar eine Straße benannt wurde. Oder der Kran von Schifferstadt. Ich schüttele ihr die Hand. Ich erwarte einen Schraubstockgriff, jetzt wird sie mir die Hand zerquetschen befürchte ich schon. Aber nichts von dem. Eher vorsichtig ergreift sie meine Hand. Und sie freut sich sogar. Ich kann ein wenig mit ihr plaudern. Mit einer lebenden Legende!
Die Halle ist wieder übervoll, auch Presse und Fernsehen sind da. Es gibt eine Ehrung für Aline. Es ist sogar ein Lied von Carsten Weber für sie komponiert worden. Ole ole ola, Aline ist Welmeistaaa tönt der Ohrwurm immer noch in mir. Ein Hit!
Dann beginnt der Mannschaftskampf gegen die Ehrenfelder aus Köln. Die Partystimmung wird getrübt durch den Ausfall von unserem Punktegarant Levan Rechviasvili. Er ist auf einem internationalen Turnier in Griechenland. Weiterhin fehlt Lukasz Demczuk urlaubsbedingt. Dann aber der Hammer der schlechten Botschaften: Emil Gozalov hat beim offiziellen Wiegen 100 Gramm Übergewicht. Das heißt, wir haben in dieser Gewichtsklasse gleich vier Punkte an die Gegner verschenkt. Obwohl der Kampf auf der Matte wohl sicher gewonnen worden wäre. Wegen 100 lumpigen Gramm, wir können es kaum fassen! Jochen ist dermaßen sauer, dass er gleich ganz die Brocken hinschmeißen möchte. Er ist gar nicht mehr zu beruhigen. Können unsere anderen Kämpfer diese Ausfälle kompensieren?
Es fängt aber gut an für uns. Tim Focken kämpft in der Schwergewichtsklasse stark gegen den Ehrenfelder David Haubrich in Griechisch-Römisch. Er schiebt seinen Gegner aus der Matte, kann die Hintermann-Position erkämpfen und erhält bei einer Schleuder sogar vier Punkte. Bis kurz nach der Pause führt Focken 7:1. Aber dann verletzt er erneut sein Knie, mit dem er in letzter Zeit ständig Probleme hatte. Kann er die Führung über die Zeit bringen? Es wird eine Quälerei, auch für uns, ihn so leiden zu sehen. Der Gegner wittert Morgenluft und holt nun einen Punkt nach dem anderen auf. Aber Tim ist ausgebufft genug, den Sieg über die Zeit zu retten! Jubel für den ersten Kampf auf der Matte, da ist heute also noch was drin.
Bei dem Kampf Alexander Wagner gegen Wladimir Zimmermann zaudert Alex gar nicht lange. Er schnürt ihm die Arme und „wickelt“ sein Bein um das von Zimmermann. Wir wissen schon, was jetzt kommt, für den Kölner Kämpfer wird es eine Überraschung: Denn wenig später befindet er sich nach einer Schleuder in der für ihn sehr misslichen gefährlichen Lage. Und Alex Wagner will es heute kurz und schmerzlos machen. Er schultert in nur 38 Sekunden! Puh, das tut den Nerven gut, so kann es weitergehen.
Sehr stark heute auch wieder Dieter Tschierschke gegen Enes Özcan in der 66 Kilo Freistilklasse. Ein absolut ausgeglichener Kampf, bei dem der Ehrenfelder ganz knapp mit einem 4:3 Punkt-Sieg die Nase vorne behält. Das gibt nur einen Punkt für die Ehrenfelder Mannschaft, damit können wir sehr zufrieden sein.
Sohayb Mousa muss heute in der 86 Kiloklasse Griechisch Römisch gegen Patrick Arndt antreten. Ich höre, Sohayb hat Grippe, er wollte gar nicht antreten. Aber auch mit Grippe mache ich mir bei Sohayb keine Sorgen. Er kämpft zwar nicht so explosiv wie gewohnt, kann aber ungefährdet einen 12:0 Punktsieg gegen einen völlig passiven Gegner einfahren.
Der Schlüsselkampf des Abends ist für uns die 66 Kilo Griechisch Römisch Klasse Ayoub Bolakhrif gegen Robin Pelzer. Auf dem Papier ist der Ehrenfelder stärker einzuschätzen, er ist mehrfacher deutscher Jugendmeister und mit seinen 23 Jahren kompakter und erfahrener als der jugendliche Ayoub, der dieses Jahr vierter der deutschen Meisterschaften wurde. Und so sind wir auch sehr überrascht, als Ayoub bis in die erste Minute mit 3:0 führt. Aber bei diesem Kampf wird uns kein Happy End beschert, Pelzer schleudert Bolakhrif in die gefährliche Lage und schultert ihn. Verdammt, verdammt, verdammt, das war es jetzt für uns, denke ich mir, das können wir nicht mehr aufholen. Als dann noch Vitali Jeschke hauchdünn nach Punkten gegen Maximilian Otto verliert steht es 14 zu 9 für die Ehrenfelder. Und in den verbleibenden zwei Kämpfen fehlt uns noch unser Top Kämpfer Levan. Das wars, schließe ich innerlich diesen Mannschaftskampf schon ab. Wunder gibt es nur im Märchen. Aber nicht beim Ringen. Da gilt nur das Gesetz des stärkeren. Das ist Physik.
Aber da habe ich die Rechnung ohne den jungen Nachwuchskämpfer Phillip Häffner gemacht. Schlaksig steht er auf der Matte gegen den stabileren Erwachsenen Olexandr Kogan in der 75 Kilo Freistilklasse. Da bin ich ja mal gespannt, vielleicht wird er sich ja gut wehren können. Vorletzte Woche hatte er in der zweiten Mannschaft ein sehr gutes Bild abgegeben. Aber heute kämpft er in der Oberliga. Das ist ein andere Klasse.
Sein Gegner versucht ihn oben einzuschnüren. Er scheint ein Griechisch Römisch Kämpfer zu sein. Aber Häffner lässt sich nicht auf seinen Stil ein. Gekonnt löst er sich und greift quicklebendig das Bein des Gegners. Kogan hat keine Chance zu kontern, Häffner wird Hintermann. Wie ein Profi geht Phillip weiter diesen Weg, bis es sogar 8:0 für ihn bis zur Pause steht. Der Ehrenfelder muss sich sogar noch in den Pausenpfiff retten, denn Häffner hatte in der Bodenlage einen engen Einsteiger angesetzt, der wohl kaum abzuwehren wäre.
Ich fürchte in der zweiten Halbzeit, dass Phillip vielleicht noch auf Schulter verlieren könnte. Aber diese Befürchtungen sind vollkommen unbegründet. Er kämpft weiter konzentriert wie in der ersten Runde. Und gewinnt sogar technisch überlegen! Ich kann es kaum glauben. Da wird ein Kämpfer aus der zweiten Mannschaft geholt und kann die Lücke, die Levan hinterlassen hat, ohne Probleme stopfen. Häffner ist heute für mich der Herr der Ringer.
Der letzte 75 Kilo Kampf Griechisch Römisch ist dann eher nur noch eine Formalität. Denn auf Waldemar Schäfer kann man sich verlassen. Er macht nicht viel Federlesens mit Alexander Giels und schultert ihn in nur einer Minute. Mit 17:14 haben wir Krefelder diesen Mannschaftskampf gewonnen. Der erste Sieg dieses Jahr unter diesen erschwerten Umständen. Umso höher ist er anzuerkennen, umso höher war die Dramatik, umso größer der Jubel. Ein Tag der Superlative! Eine Berg und Talfahrt der Emotionen! Und Jochen findet auch wieder sein Lächeln wieder. Es will ihm an diesen Abend gar nicht mehr aus seinem Gesicht weichen.

Bericht über den Kampftag aus der Rheinischen Post Krefeld vom 15.09.::

Germania gegen Ehrenfeld.